Kommentar zu Peter Decker/Konrad Hecker: Das Proletariat, GegenStandpunkt Verlag, München 2002

1. Lohnarbeit ist gut fürs Kapital ...

Es wird ausführlich Material zur Erläuterung und Veranschaulichung des Urteils geboten, dass alle (konstruktiven) Bemühungen um die Lohnarbeit schädlich für die Menschen waren und sind, die eben für Geld arbeiten müssen. Speziell wird der gegenwärtigen Aktualisierung der Lohn-Arbeitsbedingungen einschließlich ihrer Bezahlung bescheinigt, dass das materielle Interesse der Lohnarbeiter dabei sehr konsequent herausgekürzt ist. Zurecht wird betont, dass das Verschwinden des Proletariats aus dem öffentlichen Bewusstsein mitnichten bedeutet, dass es ein solches gar nicht mehr gibt; sondern dass seine Existenz heute eben nur kein Thema mehr ist, weil es immer weitgehender aufgeht im Dienst am Kapital.

Zum einen ist das Erinnerungshilfe für Leute, die (auch stellvertretend) für das Proletariat unterwegs waren oder sind. Zum anderen durchaus Argumentationshilfe für neue Aufwiegelei.
An was wird da aber wie erinnert bzw. wie wird da aufgewiegelt ?

Ein Grund für das schlechte Lebens eines Lohnarbeiters wird genannt. Nämlich dem „kapitalistischen Lebenszweck“ verdanke er sich, und es wird bekräftigt, dass eine Notwendigkeit dahingehend bestehe: Dass das schlechte Leben eben wohl auch „sein muss, so wie das System des Gelderwerbs durch Lohnarbeit nun einmal funktioniert“ (8).
Und entsprechend weder „historisch“ noch praktisch so eintreffen müßte (50), wenn denn die Betroffenen mal nur endlich ihren materiellen Standpunkt geltend machen würden. So weit – so richtig.

Dazu müssen sie natürlich die Lohnarbeit nicht nur faktisch als eben schlecht für sich feststellen (das tun sie, wie richtig bemerkt wird, sowieso; 268), sondern in dieser Schlechtigkeit eben als unumgänglich nicht ihrem, sondern dem namhaft gemachten ihnen entgegen gesetzten Zweck dienend, also den genannten Grund als Grund für ihr schlechtes Leben einsehen.

Dabei wird ihnen durch die vorliegende Argumentation nicht geholfen.
Der Zusammenschluss all der Widrigkeiten der Lohnarbeit mit dem genannten „kapitalistischen Zweck“ wird in „Das Proletariat“ nämlich v.a. in der Hinsicht geleistet, dass alle Bemühungen um Lohn und Lohnarbeitsbedingungen als ihm nur nicht widersprechend, ihm eben Freiraum lassend dargelegt werden: Das Kapital entfaltet sich damit prima.
Nur grundsätzlich und formell wird das Kapitalverhältnis angeschuldigt: Das Elend der Lohnarbeit sei eine
„Stiftung des bürgerlichen Rechts ... und ein Produkt des kapitalistischen Fortschritts“ (13+15).

Schon die behauptete Notwendigkeit, dass die Menschen als Lohnarbeiter nur ihre Not befördern können, wird inhaltlich nicht erwiesen, sondern als geklärt unterstellt. Weiter erfahren wir nicht, wie denn die materiellen Bemühungen um ein Ein- und Auskommen in der Konkurrenz das so unumgänglich bewerkstelligen. Und es wird auch nicht mitgeteilt, warum das gegen alle schlechte Erfahrung und allen kapitalistischen Erfolg in der Konkurrenz allgemein so ganz anders gesehen wird.

Dabei nützt es auch nichts, dass der erreichte Superlativ an Benutzung und die dazugehörige heutige geistige Verfasstheit der Lohnarbeiter breit als die Konsequenz eines traditionellen Fehlers vorgebracht wird:
„vollendete Arbeiterklasse“ (195)
„der vollendete Prolet“ (196)
„definitive proletarische Klassenstandpunkt“ (200)
„perfektes Proletariat“ (201)
„gerechtes Ende“ der großen Karriere der lohnarbeitenden Klasse“ (Untertitel)
Der Fehler ist weder logisch noch in seiner praktischen Durchführung erklärt.
Einen sich durchsetzenden kapitalistischen Zweck zu konstatieren und den Proleten als durchaus Subjekten dabei nur „eine schlechte innere Folgerichtigkeit“ (50) zuzugestehen, ist etwas anderes als den inhaltlichen Zusammenhang darzulegen.


2. Eigentum des Lohnarbeiters – eine Fiktion ?

Der Zusammenhang zwischen objektiver kapitalistischer Verwertung und subjektiver Lohnarbeitsexistenz in der Konkurrenz ergibt sich im Eigentümer-Sein eben auch und gerade des Lohnarbeiters. In „Das Proletariat“ wird dieses Eigentumsverhältnis des Lohnarbeiters aber zur puren Fiktion entwickelt.

Es wird einerseits festgehalten, dass der Lohnarbeiter Eigentümer ist, auch ein Gegenstand dieses seines Eigentumsverhältnisses wird benannt:
Er „handelt ... als freier Eigentümer, der ein Tauschgeschäft zum eigenen Nutzen abschließt: Dienst gegen Geld...“ (14)
„Auch der mittellose Mensch gehört sich selbst, und zwar ganz ausdrücklich im Sinne des bürgerlichen Privateigentums... alles, was an seiner Person nützlich und nutzbar zu machen ist, ist als sein Eigentum definiert.“ (13)

Allerdings nur „als“ Eigentum und als solches lediglich „definiert“; denn andererseits ist man genötigt, gerade diesen Tatbestand der Existenzweise des Lohnarbeiters vielfältig und überwiegend zu dementieren:

„bloß freie Persönlichkeiten und ohne Eigentum“ (26f)
„eigentumslose Arbeitnehmer“ (31)
„eigentumslose Massen“ (34)
„eigentumslose Lohnarbeiter“ (50+137 +...)

Dieser Widerspruch tritt an einer Stelle sogar im selben Satz auf: „...eigentumslosen Bürger als erwerbstätige Eigentümer ihres Arbeitsvermögens...“(142). Dennoch könnte man es noch als die Beurteilung lesen, dass Lohnarbeiter eben nur über sich und sonst keine Mittel verfügen, wie etwa bei: „Eigentümer von nichts als der eigenen Arbeitskraft“ (103).
Dennoch: gemeint ist nicht nur das gesellschaftliche Auftreten „höchst ungleicher Sorten Eigentümer“ (100), sondern dass das Verhältnis, das der Lohnarbeiter zu sich einnimmt, letztlich doch kein richtiges, sondern nur ein „eigentumsgleiches“ (96) Eigentumsverhältnis sein kann, und er es darüber hinaus als Lohnarbeiter auch „nie zu wirklichem Eigentum bringen“ (121) wird.

(Das ist nicht die einzige Veröffentlichung, wo der Arbeiter als Eigentümer uneigentlicher Art bestimmt ist. In „Gegenstandpunkt“ 4/96 geht es ähnlich zu:
„Praktisch bleibt es natürlich dabei, daß die Arbeiter ihre Arbeitskraft und Lebenszeit in den Produktionsprozeß einbringen - Dinge, die von ihnen gar nicht abtrennbar sind wie ein Stück Eigentum, über das der Besitzer frei disponieren kann; was im kapitalistischen Betrieb geschieht, ist allemal ihre Tätigkeit, auch wenn diese noch so sehr unter dem Kommando des Unternehmers steht. Dennoch wird selbst darauf die Kategorie des Eigentums angewandt; und in dieser eigentumsmäßigen Hinsicht ist die Arbeit, für die sie bezahlt werden, eben damit gar nicht mehr die Ihre. Sie geben ihre Tätigkeit, die physisch natürlich ihre ist und bleibt, wie ein veräußertes Eigentum aus der Hand.“ (S.113)
Nach dem Zitat wird in der bürgerlichen Gesellschaft die Arbeitskraft und Lebenszeit nur „eigentumsmäßig”, eben „wie ein Stück Eigentum” behandelt und „wie ein veräußertes Eigentum aus der Hand” gegeben. Diese Vorstellung von einer willkürlichen Anwendung einer unangemessenen Kategorie unterstellt, dass sie ein so verstandenes Eigentum eben nicht sind noch sein können.
Und auch in „Linke Wissenschaft vom Staat“ der Reihe „Kritik der bürgerlichen Wissenschaft“ von 1979 wird das Eigentumsverhältnis der Arbeiter ganz selbstverständlich bestritten, wenn sie „...durch staatliche Rechtsgewalt in den Schutz eines Eigentums gelangen, das sie gar nicht haben“ (S.1) .
Das war interessanter Weise nicht immer so: In „Resultate der Arbeitskonferenz“ von 1974 wird gerade v.Flatow/Huisken geraten, sie mögen sich in KI/183 davon „überzeugen, dass das Kapitalverhältnis auf dem freien Arbeiter als Eigentümer seiner Arbeitskraft beruht“ (S.152))


Denn: reserviert ist das Etikett „Eigentum“ ohne weitere Begründung für gegenständlichen Reichtum höherer Quantität, dessen Zweckbestimmung es ist, entweder es „auszugeben oder aufzuheben“ (121), und darin dann die weitere schöne Eigenschaft in sich birgt, als Einkommensquelle von mehr von sich selbst zu dienen.

Zu unrecht.


3. Wie setzt der Lohnarbeiter sich als seine Einkommensquelle ein ?

Inwiefern man den Lohnarbeiter auf jeden Fall nicht als Eigentümer anzusehen habe, wird nicht zuletzt bei der Besprechung der Transaktionen deutlich, die der Lohnarbeiter angeblich im Lohnarbeitsverhältnis eingeht.


3.1. Einkommensquelle als besessener Gegenstand ?

„Lohnarbeiter tragen... ihre Einkommensquelle nicht als gegenständlichen Besitz...spazieren“ - das mag schon dafür stehen, dass da ein anderes als ein veritables Eigentum vorliegen muss.
Weiter sei es aber nicht mal „eine rechte Einkommensquelle, worüber sie höchstpersönlich verfügen können...; denn (!) mit ihrer Arbeitskraft sind sie auf einen Arbeitgeber angewiesen, der sie ausnutzen kann und will.“ (149)

Das Angewiesensein auf einen interessierten praktischen Benutzer ist aber ausgerechnet eine Eigenschaft, die auch den anderen bürgerlichen Einkommensquellen Geld und Boden zukommt; auch wenn diese eine rechtliche Verbriefung genießen, sind doch noch immer die materiellen Dinge selbst die Quellen der Einkommen und zwar ebenfalls nicht als Dinge, die man mit sich herumtragen und insofern „besitzen“ könnte. Selbst der auf seinen Gewinn erpichte Unternehmer ist darauf angewiesen, seine fertigen Arbeitsplätze an interessierte andere Besitzer(!) abzugeben. Gerade darin erweisen sich ja alle Einkommensbezieher als Eigentümer ihrer jeweiligen Quelle: als ausdrückliche materielle Nicht-Benutzer und nur abstrakt sich auf sie beziehende Personen.


3.2. Tausch ? , der Einkommensquelle ?

„Dienst gegen Geld“ (14) und „Pachtverhältnis“ (94), „Verpachtung“ (111) kommen wohl der tatsächlichen Transaktion noch am nächsten.

Die Redeweise vom „Arbeitskraft-Eigner“ (101) und „Eigentümer von nichts als der eigenen Arbeitskraft“ (103) sieht (neben dem erarbeiteten Lohn in Geld- oder anderer Form) ein Eigentumsverhältnis zu der Arbeitskraft, das durch den Lohnarbeitsvertrag und die Arbeit dann aufgegeben, da eben gegen den Lohn eingetauscht wird. Damit wäre das Eigentumsverhältnis, das der Lohnarbeiter zu sich einnimmt, mit seiner Betätigung qua Tausch in der Tat sofort wieder hinfällig und so absurd, wie in dem Text suggeriert.

Weiter diene im Falle der spezifische Einkommensquelle des Lohnarbeiters das Geld eben „nur scheinbar als Tauschmittel“ (38), vielmehr herrsche da die „Fiktion eines Tauschgeschäfts“ (40), weil eine „Kostenrechnung des Anbieters“, also eine „kommerzielle Preisbildung“ (39) nicht stattfände.
Vielmehr sei das ganze Tauschgeschäft im Falle des Lohnarbeiters nur ein einziges Trugbild, da aufbauend auf einem windigen „Konstrukt des Lohnarbeiters als eines freien Vermarkters der eigenen Arbeitskraft“ (138).

Der Vorstellung, dass Tausch eine Sache der Wert-sprich-Arbeitsaufwand-Gleichheit wäre, hängen nun aber weniger Leute nach als unterstellt. Bei genauerem Hinsehen sind es sowieso nur sich auf Marx berufende Linke, die damit hausieren gehen.
Ein teilnehmender Anhänger der bürgerlichen Ökonomie ist allemal eher der Meinung, dass Tausch gar nichts mit Produktion, und schon gar nicht zu Werten oder Produktionspreisen (von denen hier wohl die Rede sein soll) zu tun habe.
Dass bei der Lohnarbeit - jenseits der linken Idealismen dahingehend - jemals dieser Schein des gleichen Tauschs gepflegt worden wäre und auch nur eine Grundlage in den besonderen Transaktionen des Lohnarbeiters hätte, dem kann man auch erklärend widersprechen.

Diese Vorstellung eines Tauschakts bei der Lohnarbeit ist nämlich – auch bei Marx - überhaupt schief: Denn bei den Transaktionen keines der bekannten Einkommensbezieher wird reell überhaupt ein Gegenstand eingetauscht. Oder genauer: wenn man da von Tausch reden will, sollte man sehen (und weiß auch Marx zumindest in KIII für Geld und Boden zu berichten), dass da immer eine Kraft (des Menschen, des Geldes oder der Natur), also ein ideelles Moment, eine schlichte Möglichkeit, getauscht wird, indem real ein Gegenstand – in unserem Fall: ein Mensch - verliehen wird. (Diese Art Transaktion wird in „Das Proletariat“ nur ganz nebenher und wohl als unbedeutend, aber durchaus zur Kenntnis genommen: „Verpachtung“; allerdings „von Arbeitskraft und Lebenszeit“, S. 111, also leider doch wieder nicht ganz korrekt).

Ein Verleih ist also die Transaktion, die die Einkommensquellen zu eben solchen macht. Eben und erst diese Transaktion stellt (zunächst nur) diese Gegenstände auch in das abstrakt verfügende Willensverhältnis, das wir als Eigentumsverhältnis kennen; und macht sie so zu sachlichem Eigentum wie sie die Seite des menschlichen Willens dabei zum Eigentümer, zur Person werden lässt. Gerade am Lohnarbeiter wird dieses Eigentumsverhältnis so vollzogen, dass der Wille zu sich als Eigentum von sich als Gegenstand des Willens abstrahieren muss, mithin die Person sich vom lebendigen Menschen trennt.

Darin - eben keine qualitativ verschiedenen Dinge mehr, sondern nur quantitativ verschieden gute Geldquellen zu sein - sind dann zum einen die Einkommensquellen sich gleich. Und haben zum anderen eben kein – und schon gar kein quantitatives – Vergleichsverhältnis mit dem daraus resultierenden Einkommen. Und enthalten so zugleich nie und nimmer weder Widerspruch noch Schein eines ungleichen oder gleichen Tauschs.
(Dass Marx hier unbedingt ein Tauschverhältnis als gesellschaftliche Tat konstruiert, verdankt sich seinem Willen, aus dem Widerspruch des Waren-Tauschs unmittelbar das Ausbeutungsverhältnis ableitend zu entwickeln. Vielleicht lag er damit ziemlich daneben, selbst wenn die Arbeitswerttheorie – aber dann eben auf andere Weise – doch richtig ist.)

Und diese – weder gleichen noch ungleichen – Transaktionen eines Verleihs von Dingen setzen die Verwertung von Wert ins Werk.


3.3. Nur Rechts-Person ohne Eigentum ?

Die Lohnarbeiter, die angeblich keine Eigentümer sein können, figurieren hier mithin als „bloß freie Persönlichkeiten“ (26), die kein (hinreichendes) Eigentum haben, um sich zu Recht als Eigentümer zu sehen.
Entsprechend wird die Einkommensquelle, über die die Lohnarbeiter dann doch verfügen, „in ihrer eigenen Person“ (149) verortet.
Auch dem ist damit sachlich unterscheidend und erklärend zu widersprechen:
Vielmehr bewähren sich die Verleiher auch ihrer Leiblichkeit gerade durch den Verleih als Eigentümer ihrer selbst, und gerade damit und dann als die abstrakten Nur-Eigentümer, als sie deshalb – wie alle anderen Einkommensbezieher - auch Nicht-Eigentum sein müssen und darin Personen sind und sein wollen.
Das ist dann die „materielle Grundlage des falschen Bewusstseins, das sich affirmativ auf die Gewalt des Staates“ bezieht, nicht nur die Recht setzende Staatsgewalt selbst, indem sie „im Bezug auf sich ... keine klassenspezifische Interessengegensätze gelten“ (176, Zusatz) lässt.

Daneben gibt es diese nur Person vorstellende Figur in der bürgerlichen Gesellschaft durchaus: Der „Sozialfall“ ist eine zahlenmäßig durchaus ins Gewicht fallende Gestalt, die eben keine Einkommensquelle sein eigen nennt, die er selbstverantwortlich für sich in Anschlag bringen könnte. Solche Personen sind es dann nur durch die Tat des Staates, sie als solche zu nehmen und zu achten, jenseits dessen, dass sie es aus dem Bezug auf sich eben nicht sind und eventuell auch nicht sein wollen – was der Staat beides gerade an ihnen bemängelt.


4. Gewalt als Erklärung des Eigentumsverhältnisses ?

Warum gibt es dieses Eigentumsverhältnis, auch und gerade das angeblich Nur-quasi-Eigentum des Arbeiters , sowie den dazu gehörigen Eigentümer?
Hier tun sich zumindest Missverständnisse auf.

„Das Proletariat“ sieht hier v.a. die Staatsgewalt am Werk, sie
„zerlegt ... den eigentumslosen Bürger rechtswirksam in ein personalisiertes Verfügungsrecht und in sein zur eigentumsgleichen Verfügungsmasse herunterdefiniertes materielle Dasein“ (96).

Sicher stiftete der Staat und das Eigentumsrecht an Natur und Produktionsmitteln durch den damit gegebenen Ausschluss der diesbezüglichen Nicht-Eigentümer vor 100 Jahren das gesonderte Menschenmaterial für das Proletariat. Und die Vorenthaltung aller Mittel für eine evtl. andere Lebensmittelproduktion leistet heute ähnliches.
Wie kommt aber ein so in seinen Mitteln nur beschränkter Mensch dann dazu, zu sich selbst ausgerechnet ein positives Eigentumsverhältnis einzunehmen ?
Der Vorstellung, dass das Eigentum als Ausschluss das schon leiste, kann entgegengehalten werden, dass das Recht zum Eigentum allein weder diesen positiven Willen dazu noch den hinreichenden Grund dafür ausmachen kann, es ist ja als Recht immer die Einräumung einer Möglichkeit, eine Erlaubnis und nicht Pflicht zu etwas. Ohne den Willen der Eigentümer, ihren besonderen Gegenstand auch als Eigentum zu nehmen und zu behandeln, soll schon von Staats wegen auch das Eigentumsverhältnis eben nicht statt haben. Und ohne diesen geht auch der Zwang gegen und durch die konkurrierenden Eigentümer eben nicht.

Demgegenüber soll hervorgehoben werden: Mit der Staatsgewalt mag zwar die faktische Geltung des Eigentums sich erklären; aber mit ihrem die Individuen ausschließenden Inhalt wird logisch nur die (historisch- negative) Voraussetzung für das Eigentum benannt. Das ist aber allemal etwas anderes als eine erklärende Begründung der besonderen Qualität des positiven Eigentumsverhältnisses selbst - gerade auch des Arbeiters zu sich selbst.

Dieser abstrakte Willensbezug auf sich wie auf die anderen Gegenstände erklärt sich eben nicht aus einer erlaubende „Empfehlung“ der Staatsgewalt, sondern ist – und sollte als solche auch benannt werden - eine Konsequenz der (damit allerdings ins Werk gesetzten) kapitalistischen Ökonomie und der gar nicht besonderen Art der Teilhabe der Lohnarbeiter daran und an der sich mit ihr erst ergebenden Konkurrenz. Und das gilt jenseits der weiteren „schlechten Gründe“, die sich die Menschen im einzelnen für das Mitmachen dabei zurecht legen. Nur mit dieser Erklärung in dieser ihrer Vollständigkeit ergeben sich und stimmen dann auch die Argumente gegen Eigentum und Staat.

Ein Urteil wie „Die Staatsgewalt ist der Grund des Eigentums (– auch und gerade des Proleten, (weil) der gar keins hat)“, ist fertig mit dem Eigentum, ohne seine kapitalistischen, also für die (arbeitenden) Menschen schädlichen Gründe für eine Teilhabe dabei erwiesen zu haben. Das wird nicht als Mangel, sondern als besonder(e)s (gutes) Argument gesehen: Es soll mit diesem Urteil die Verfügung namens Eigentum (durch die Proleten) eine Ablehnung erfahren, weil ihr – nur unterstellter, aber nicht erklärter – Inhalt : kapitalistische Verwertung = Proletenverarmung damit als Gewaltmaßnahme gekennzeichnet ist.
Als Argument ist dieser Gedanke aber allemal merkwürdig: Entweder das Eigentum ist gegen den tatsächlichen Willen der Menschen gesetzt, dann bräuchte man dieses Argument nun wirklich nicht mehr. Oder das Eigentum ist dem erklärten Willen der Eigentümer leider gemäß, dann ist dieses Urteil erst recht für sich genommen nicht das korrekte Argument dagegen.
Also: Es nutzt leider nichts, den Bürgern nur zu sagen „Ihr wollt das Eigentum, weil der Staat es Euch so vorsetzt“ !


5. Wie ! oder Wie ? kann man als Lohnarbeiter nur dafür sein

Näheres, wie das denn weiter so zugeht bei der Willensbildung der Proleten, ist zwar durchaus bekannt:
„Die affirmative Stellung zum Lohn als Revenuequelle schließt ein Bekenntnis zum Staat ... ein“ (48) (es sollte hier wohl korrekter Weise „Lohn als Revenue“ statt Revenuequelle heißen). Es wird aber nicht im Einzelnen zu klären für würdig befunden:
„den Leuten werden ihre eigenen Interessen ... durch die ökonomischen Objekte vorgegeben, derer sie sich bedienen müssen; und wenn die Lohnarbeiter, notgedrungen, sich darauf einlassen und mit den gegeben Verhältnissen einzurichten suchen, ... unterwerfen (sie) sich ... zu ihrem Schaden dem kapitalistischen Eigentum.“ (273)

Wenn die Arbeiter nämlich „kein anderes Mittel“ haben und „ihren Verstand ... erst einmal darauf verwenden (müssen), Arbeit zu finden und mit dem verdienten Lohn zurechtzukommen“ (277f), dann müssen sie nämlich leider mit dieser Lohnarbeit eben mehr tun als nur die geforderte Arbeit für schlechtes Entgelt. Sie müssen damit Eigentum als Sache und zugleich Eigentümer werden, das ist ihre Vorleistung, um zur Arbeit gegen Lohn überhaupt zugelassen zu werden; und insofern schon eine - von Arbeit und Entlohnung zunächst absehende - Notwendigkeit.
Diese jenseits aller Entlohnung für Arbeit geforderte, wenn auch zwecks Lohn geleistete Haltung zu sich selbst ist die inhaltliche Grundlage, von der der Text nichts wissen will; allerdings Grundlage durchaus für all die in ihm genannten proletarischen Selbstbespiegelungen der bekannten Art und typischen Weise, die für sich in der Tat „nur noch verkehrt“ und ohne Notwendigkeit (272) erscheinen.

Dass das die Proleten in der Tat lieber lassen sollten, geht zwar in Ordnung; der Verweis auf die offensichtliche Falschheit bis Wahnhaftigkeit ihrer Vorstelllungen allein wird sie davon nicht abbringen, weil ihr Bemühen dabei von der Gewissheit genährt wird, in sich als Eigentum wie Eigentümer ein (treffliches) Mittel in der Hand zu haben.
Ohne nachzuweisen, dass man ausgerechnet in seiner privaten Machtausübung als Eigentümer ausschließlich für das Wohl des Kapitals unterwegs ist, wird es nicht zu machen sein.

Ohne dieses Argument ist es bestenfalls eine Aufwiegelei von Noch-nicht-Teilnehmern der Konkurrenz, in jedem Fall aber Selbstvergewisserung unter Linken, denen in der Tat der Staat die kapitalistischen Verhältnisse aufnötigt.
Sachlich ist es nur die inhaltliche Umkehrung auf dem Feld der ergänzenden theoretischen Propaganda von „Freiheit und Eigentum“: Wo die bürgerliche Öffentlichkeit den – womöglich gar natürlichen - Willen der Untertanen hofiert sieht, und die nicht nur defensiv „realistischen“ Eigentümer gar sich selbst gefeiert wissen, wird einfach ohne Erklärung das Gegenteil behauptet.

Eine solche Gegen-Gesinnung ist fassungslos bis unwillig angesichts der Dämlichkeit, wie Leute, denen doch nur Gewalt und Schlechtigkeit angetan wird, auch noch dafür sein können. Der Wille der Lohnarbeiter, auf sich nicht in ihrer materiellen Bedürftigkeit, sondern als Eigentum zu bauen, wird so nicht (als Ergebnis des Kapitalverhältnisses und der Art und Weise ihrer Teilhabe daran) kritisiert, sondern lieber ignoriert und an seinen Folgerungen als absurde Dumm-Böswilligkeit vorgeführt.