Harald Haslbauer


Zur Notwendigkeit rechtlicher Subjektivität        pdf-Version   

(Version 20.09.2015)


1.   (Inwiefern) Ist das Recht bürgerlich?


1.1.


Die Bezeichnung „bürgerliche Recht“ ist allgemein geläufig und wird auch von jedermann genutzt als Kennzeichnung unseres aktuellen Rechts (in seiner Gesamtheit, und nicht nur, wie für die Juristen, v.a. des Privatrechts). Seine Befürworter sehen in dieser Bürgerlichkeit eine historische Errungenschaft und darin das Recht seiner Bestimmung zugeführt, seine Kritiker nehmen es eher als Ausdruck noch ungerechter Verhältnisse, seine Verwirklichung stehe noch aus. Hier gilt es zu klären, ob und inwiefern diese Benennung des Rechts als bürgerliches gerechtfertigt ist; und darüber hinaus: Ob und wie etwa nähere Bestimmungen dieser seiner Bürgerlichkeit doch auch seine inhaltliche Beurteilung zulassen könnten.


Eigentum und Person – also Willensmomente – das  s i n d  im allgemeinen Konsens die Kernelemente dieses Rechts, wie auf sie aufbauend Vertrag, Anerkennung, Unrecht, Gerichtsbarkeit … bis hin zu dem Sollen dieses Rechts: Gerechtigkeit. Sie sind die Prinzipien unseres Rechts, die alle gesellschaftlichen Beziehungen abzubilden und in sich einzuschließen beanspruchen. Und für die ein Grund in der Regel weder genannt werden kann noch will.

In dieser Rechtlichkeit firmiert das Subjekt-Objekt-Verhältnis namens  E i g e n t u m  als eine Art von Verfügen, das einen Willensbezug auf Gegenstände als sich zuordnend bedeutet; allerdings gerade nicht als alle Verfügungsweisen übergreifend, sondern für sich abstrakt und völlig getrennt von materiellem Haben und Wollen durch menschliche Subjekte, ein dem lebendigen Menschen äußerlicher, rein „idealer“ (Fichte) oder „bloß ... intelligibler Besitz“ (Kant), merkwürdig interesse-, aber auch bedingungslos.

P e r s o n  ist im Recht – entgegen der alltäglichen Vorstellung – der Mensch ausdrücklich nicht als Mensch. Vielmehr ist der Mensch darin ein von diesem Menschsein gerade abstrahiertes, selbstbezogenes Subjekt, das – leb- und fleischlos – für sich keinen Bezug auf den darin willentlich tätigen Menschen wie auch die Welt hat: Als Person gilt (sich und anderen) der Mensch dann nur statisch und punkthaft als Instanz und Fokus von Rechten. Daran ändert auch nichts das heere Ideal, dem Menschen als Mensch möge doch der Anspruch zustehen, als Person geachtet zu werden – die Differenz von beiden ist dabei unterstellt und bekräftigt. Das bestätigt noch die Achtung als Person selbst dann, wenn sie – in strafenden wie privatrechtlichen Rechtsakten – mit einer gesellschaftlich gewollten Erschwerung bis Ruinierung einer Menschenexistenz einhergeht.

Diese Art Subjekt – punkthaft, nackt und absichtslos – erweist sich auch als das Subjekt des Verfügens, das als Eigentum auftritt. Es ist darüber hinaus – mit sich identisch wie allen anderen Subjekten seiner Art gleich – das Subjekt von Rechts-Beziehungen anderen ebenso personalen Subjekten gegenüber; wodurch die sozialen Bezüge der Menschen aufeinander nicht nur eine Verdoppelung als rechtliche erfahren, sondern als solche und im Zweifelsfall nur durch ein drittes Subjekt Wirklichkeit gewinnen und Bestand haben, durch eine allein rechtlich formierte, Recht setzende, sprechende und vollziehende Instanz.


Diese Gestalten und ihre Bezüge auf die Welt als solche Kategorien des Rechts zu nehmen ist durchgesetzte praktische Gewohnheit, sie finden Anwendung in allen gesellschaftlichen Beziehungen, ohne dass sich über ihre besonderen Qualitäten oder gar Gründe noch Rechenschaft gegeben wird. Nur entlegen philosophisch und jenseits seines täglichen profanen Vollzugs wird sich über diese Art Willen noch gewundert, dass eben neben aller lebensnahen Subjektivität der Menschen diese noch als isoliert-abstrakte in einer eigenen Sphäre existiert und lebt, obwohl jeder, mit und ohne Marx, um diese Doppelexistenz des bürgerlichen Menschen weiß. So gut wie gar nicht mündet diese Verwunderung darin, dass für diese Elemente des Rechts nach einer Notwendigkeit gefahndet wird; etwa mit der kühnen Vermutung, dass der Grund für derart bizarre Willensakte nicht in ihnen selbst liegen könne.


Für diese Kategorien – als welche des Willens nämlich – wäre das in der Tat eine Ungeheuerlichkeit: Obwohl Willensmomente, wird ihnen doch grundsätzlich eine Nachgeordnetheit unterstellt, ein Gründen in anderem als ihrer freien Selbstbestimmung. Diese Willensakte trügen damit einen Widerspruch in sich, wären damit in ihrer ureigenen Bestimmung als frei relativiert1.



1.2.


Unsere religiöse Vergangenheit kannte alles gesellschaftliche Tun und dessen Regelung als Ausführung göttlicher Gebote, vollzogen letztlich konsequent in einem Sollen, einem sich unterordnenden Wille wie einer Unterwerfung davon abweichender Willen: Recht als alleiniger und einseitiger Willensakt des Herrschenden, als Stellvertreter Gottes. Die bürgerliche Revolution schrieb sich dagegen auf die Fahnen, dass eine freie Rechtssubjektivität aller Menschen zu gelten habe. Soweit sie diese Rechtssubjektivität des individuellen Menschen aus der Natur begründete, schwächte sie die Befreiung des Willens im Recht gerade wieder ab. 2


Hegel hat diese Schwäche des Naturrechtsgedankens erkannt, und setzt dagegen die Herleitung der Rechtssubjektivität aus der Eigenart des Willen selbst, also seiner Natur.

Er kennt also nicht nur die Gestalten des Rechts in ihrer Abstraktheit:


„... der Geist sich als abstraktes und freies Ich zum Gegenstande und Zwecke hat und so Person ist.“(RPh §35), „Der für sich seiende oder abstrakte Wille ist die Person“ (Rph §35 Zusatz).


Damit nimmt er auch wahr, dass in der Durchführung dieses abstrakten Rechts etwas ganz anderes als der profane, materiell interessierte Wille der Menschen Raum greift und Geltung gewinnt:


„Eigentum zu haben, erscheint in Rücksicht auf das Bedürfnis... als Mittel; die wahrhafte Stellung aber ist, daß … das Eigentum... wesentlicher Zweck für sich ist.“ (Rph §45 Zusatz).


Hegel will aber diese Konstellation weder als gegeben hinnehmen noch nur negativ ihre Naturgegebenheit verwerfen 3, ganz im Gegensatz zu heutigen Theoretikern dieses Sachverhalts. Hegel sieht sich genötigt, für diese vom Menschen abstrahierten Rechtsverhältnisse einen positiven

Grund anzugeben 4. Allerdings meint er, diese Figuren des abstrakten Rechts im Willen überhaupt gut begründet zu sehen. Seine logischen Schritte von den allgemeinen Willensbestimmungen hin zu Person und Eigentum sind aber mehr als zweifelhaft.

Er nimmt in seiner Argumentation vom (sowieso und an-sich freien) Willen hin zum abstrakt (auch für-sich) freien Wille (=Person) dem Willen gerade seine ihn auszeichnende Qualität, die Selbstbestimmung, indem er diesem unterstellt, er verfolge seine Freiheit nicht endlich, sondern als Idee:

Ein Wille ist nicht Wille ohne seinen bestimmten Inhalt, also der Inhalt bestimmt als seiner, vollständig bis hin zur Existenz des Inhalts als in ihn, den Willen fallender Inhalt. Das enthält auch noch die gewussten Gründe für seinen Willensentscheid, da sie seine Gründe werden und dann sind. Ein Wille, der sich nur selbst will, hat von daher die Bestimmung an sich, allen anderen bestimmten Inhalt, worin er sich gerade verwirklicht und nur verwirklichen kann, nicht zu wollen, sondern nur die Bestimmtheit des Inhalts durch sich selbst als seinen Inhalt. Um aber diese Bestimmtheit des Willens zu gewinnen und festzuhalten, kann nicht zugleich alle Bestimmung als Tat des Willens fahren gelassen werden. Ein Wille, der das getrennt von sich selbst und seinen tatsächlichen Leistungen tut, muss also einem anderen Grund als dem Willen selbst geschuldet sein.

Diese Einschränkung auf sich selbst ist zunächst nur aber durchaus eine mögliche und zusätzliche Art von Willen, unter ignoranter Beibehaltung der vielfältigen anderen Inhalte. Die Wahl dieses neuen Inhalts ist ausschließend und er selbst arm: Der Wille will etwas extra und außerhalb dessen sein, was er sowieso und immer schon ist.

Damit kann von Freiheit als Inhalt dieses besonderen Willens aber gerade nicht mehr die Rede sein, weil der Inhalt eben nicht frei und über Gründe dafür gewählt, sondern mehr als alle anderen Inhalte durch ihn selbst, „an sich“ schon vorgegeben ist. Wo Hegel sonst alle Willensbestimmtheit als Beschränkung der Willensqualität, also der Freiheit sieht, wähnt er ausgerechnet im Willen zum Willen diese zu sich selbst gekommen.

Das bleibt ihm andererseits auch nicht verborgen, folgert er dann doch im Weiteren auch eher Notwendigkeiten daraus. Und sieht dann diese Art Willensfreiheit zu Recht in der Ausformung eines übergeordneten und gar gebietenden Willens kulminieren: Recht und Staat.


Der zweite Schritt, der der so vorgestellten fertigen Person, also dem selbst-bezogenen Willen, hin zum Inhalt Eigentum, ist in seiner Notwendigkeit ebenfalls nicht nachvollziehbar:


Die Person muß sich eine äußere Sphäre ihrer Freiheit geben, um als Idee zu sein. Weil die Person der an und für sich seiende unendliche Wille in dieser ersten, noch ganz abstrakten Bestimmung ist, so ist dies von ihm Unterschiedene, was die Sphäre seiner Freiheit ausmachen kann, gleichfalls als das von ihm unmittelbar Verschiedene und Trennbare bestimmt.“ (RPh §41)


Warum sollte sich ein so selbstbezogener Wille – als der er nun als idealer oder tatsächlicher Willensinhalt bestimmt ist – nicht mit sich selbst bescheiden? Gerade nach Hegel hat sich so ein Wille doch gerade – und das war seine besondere und gefeierte Leistung gegen die Niederungen der sonstigen (endlich) bestimmten Willen – von allen äußeren Inhalten emanzipiert? Gerade deshalb muss er etwas? Um einer Idee von Freiheit zu folgen, und zur Wirklichkeit zu verhelfen? Nur: warum sollte er, wo er doch gerade in seiner Beschränkung auf sich frei zu sein beansprucht? Weil ein so punkthafter Wille, der nichts bestimmtes mehr will, damit – nach der Vorstellung Hegels – eben zugleich alles von ihm verschiedene, also was nicht dieser abstrakte Willen selbst ist, will? Und warum sollte ein solcher Wille, der etwas von sich verschiedenes will, es nicht als solches äußeres bestehen lassen; oder auch etwa kooperativ mit anderen Menschen damit umgehen; sondern ausgerechnet diesem Etwas die Bestimmung geben, ganz und nur seines zu sein?


Damit ist keineswegs die Fähigkeit zu noch die Tatsächlichkeit des Willens in dieser Abstraktion bestritten, wohl aber die Notwendigkeit dazu aus sich heraus anzuzweifeln. 5


1.3.


Marx beanspruchte in seiner politischen Ökonomie der Bürgerlichkeit dieser Gesellschaft materiell Substanz gegeben zu haben. Marx´ Bestimmungen der Ökonomie zeichnen sich allerdings dadurch aus, dass sie nur die sachliche Natur der ökonomischen Gesellschaftlichkeit klären; deren gesellschaftlichen Inhalte sind als dem Willen und Bewusstsein der sie vollziehenden Menschen gerade enthoben bestimmt. Dennoch meinte Marx da nicht nur ein jenseitiges Wesen dieser Gesellschaft festgehalten zu haben, an das man zu glauben habe, sondern ein Wesen diesseitiger Erscheinungen. Die willentlichen Elemente dieser Gesellschaft, wie etwa des Rechts, werden in der Nachfolge von Marx unausgesprochen bis bekenntnishaft als „Überbau“ (plakativ: „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“) genommen. Ihre damit beanspruchte Festlegung durch die ökonomischen Inhalte erfährt aber meist keinen Nachweis. Schon ein Urteil über das Recht im Allgemeinen will damit kaum jemals gefällt sein. Vielmehr ist in der Regel nur eine Beurteilung des Rechts in seiner Besonderheit der bürgerlichen Parteilichkeit beabsichtigt, und ein alternatives, besseres Recht oder Gesetz vorgestellt und angestrebt. Sollte dieses Urteil aber nicht in aller Allgemeinheit geleistet werden (können), ist das Recht in der Tat als zufällige, aber eben gegebene - etwa natürliche - menschliche Angelegenheit zu nehmen, der auch jenseits des Kapitalismus Existenz gebührt.


Die vereinzelt angestrengten Versuche, bestimmte kategoriale Willensinhalte des Rechts als logische Konsequenz der kapitalistischen Produktionsweise darzustellen, sind allerdings trostlos:

Sehr verbreitet ist z.B. die Vorstellung, dass Kapital sowieso dasselbe wie Eigentum sei; sowie dass die existierende Rechtssubjektivität nur eine Täuschung darstelle, und deren Verwirklichung vielmehr hintertrieben sei. Mehr am Autor Marx orientierte Bemühungen kompilieren gern (möglichst frühe und tagespolitisch kritische) marxsche Zitate zu Rechtsfällen und stellen das dann als seine Rechtstheorie vor. Selbst wenn sein Hauptwerk „Das Kapital“ als Referenzpunkt genannt ist, scheitert eine logische Klärung des Verhältnisses von Kapital und Recht meist daran, dass die willentlichen Momente des Rechts nicht unterschieden von den Marxschen Kategorien gefasst werden wollen. Das menschliche Subjekt des gesellschaftlichen Inhalts des Kapitalverhältnisses fällt dann unmittelbar in eins mit der Charaktermaske als Verlängerung von Ware und Verwertung. Wenn doch eine Differenz zwischen sachlichen Wesensmomenten des Kapitals und ihren menschlichen Subjekten festgehalten ist, wird dennoch für die letzteren selbstgenügsam keine Notwendigkeit ihrer rechtlichen Bestimmungen mehr gezeigt, sondern nurmehr eine Nacherzählung, dass mit ihnen und summarisch kapitalistische Verwertung vollzogen wir. Über das Verhältnis von Ökonomie und Recht ist dann nicht mehr mitgeteilt, als dass sie eben irgendwie miteinander zu tun haben und gut zusammenpassen, ein Urteil, das als offensichtlich und banal dann jeder so auch teilen mag. Selbst grundsätzlich und umfassend vernichtende Beurteilungen des Rechts vermögen diese oft nur in seinen negativen Bezügen gegenüber den Menschen – durch ihre Mitmenschen wie in der staatlichen Gewalt – , und kaum an den positiven der gewollten Rechtssubjektivität vorzubringen 6.


Alles in Allem sind bei diesen Bemühungen diese Rechtsformen also als dem Kapitalverhältnis äußerlich belassen oder gleichgültig gegen es bestimmt, wenn auch in dieser ihrer Autonomie als für es nützlich – und darin vielleicht für die Menschen schädlich – genommen. Für sich und in einer logischen Konsequenz aus dem Kapital werden sie letztlich nicht mehr in Betracht gezogen.




2.   Rechtssubjektivität als logische Folge der Ware? Oder etwa nur ihrer Zirkulation?


Von dieser Regel marxologischer Verlegenheit gibt es eine Ausnahme: Die Ware wird doch häufig als systematischer Ausgangspunkt für die Rechtssubjektivität vorgestellt. Allerdings kommen die meisten Vertreter dieser Position über die unabweisliche Koinzidenz von Ware und Eigentum nicht hinaus, d.h. das tatsächliche Vorliegen von Eigentum gegenüber der Warenwelt gilt ihnen schon als Ausweis des Eigentums auf Grund der Ware.

Diese Behauptung, dass die Ware in sich Elemente enthalte, die Recht in den bestimmten bürgerlichen Formen nach sich ziehe, gilt es dennoch für sich zu prüfen.


2.1. Eugen Paschukanis 7


Als Kronzeuge für den logischen Zusammenschluss von Ware und Recht wird in der Regel der sowjetische Jurist Eugen Paschukanis herangezogen, der sich als Solitär in seinem Werk „Allgemeine Rechtslehre und Marxismus“8 diesem Urteil argumentativ gewidmet hat.

Paschukanis nimmt die Rechtsperson als Grundelement des Rechts auf: „Das Subjekt ist das Atom der juristischen Theorie, deren einfachstes nicht weiter zerlegbares Element.“(87). Er beansprucht dann, „daß die Genesis der Rechtsform in den Austauschverhältnissen zu suchen“(15), und von daher „die Existenz des Rechts nur in den bürgerlichen Verhältnissen an(zu)erkenne(n)“(16) sei.


Angesichts der darzulegenden Notwendigkeit des Rechts wegen der Ware fällt auf, dass Paschukanis die Nachrangigkeit des Rechts gegenüber der Ware vielfältig und summarisch eher zurückhaltend nur mit einer Analogie belegt:


„Ähnlich wie der Reichtum der kapitalistischen Gesellschaft die Form einer ungeheuren Anhäufung von Waren annimmt, stellt sich die ganze Gesellschaft als eine unendliche Kette von Rechtsverhältnissen dar.“(60)

„...das Recht...hat eine parallele reale Geschichte...Der Mensch wird zum Rechtssubjekt kraft derselben Notwendigkeit, die das Naturprodukt in die ... Ware verwandelt“(41)

Gegen diese Ausführungen (und viele weitere mit "wie...so", "entspricht vollkommen", "dementsprechend" usw.) muss eingewandt9 werden, dass da nur von einer Gleichzeitigkeit, einer Ähnlichkeit oder Parallelität der Entfaltung von Ware und Rechtssubjekt die Rede ist. Ein Begründungszusammenhang, also dass das eine Phänomen als logische Folge des anderen anzusehen sei, ist mit einer Analogie allein nicht geleistet. Die Momente sind sich in Bezug auf das bemühte Strukturmerkmal gerade ebenbürtig, und gerade deshalb will und kann damit auch ausdrücklich keine Vorrangigkeit des einen vor dem anderen festgehalten sein.


Nachdem Paschukanis und seine Nachfolger auf ihrem Zusammenschluss von Ware und Recht dennoch beharren, müssen auch die weiteren Bemühungen dahingehend eine Beurteilung erfahren.



2.2. Verfügungsverhältnis und Subjektivität gegenüber der Ware


Die Bezeichnungen, die Marx selbst für die willentliche Bezugnahme auf die Ware wählt, fallen divergent aus. Mal ist da von Besitz, auch von Privateigentum, oder auch von einem Hüteverhältnis die Rede; auch ihre Verwendung im Zusammenhang sowie Marx´ Umschreibungen des Sachverhalts qualifizieren dieses Verfügungsverhältnis gegenüber der Ware nicht genauer.

Die von Marx herausgestellten inneren Bestimmungen der Ware: Gebrauchswert und Tauschwert, können aber auch keinen Einfluss auf die Art des Verfügens gewinnen, denn beide haben nur im Warenkörper in seiner materiellen Qualität Existenz. Dieser Warenkörper stellt in besonderen seiner Qualitäten zwar prospektiv Gebrauchswert für andere dar, diese anderen Menschen sind aber vom Verfügen schlicht ausgeschlossen, haben also gar kein Verfügungsverhältnis zu ihm. Dieser Gebrauchswert mag zwar umgekehrt keiner für den tatsächlich verfügenden Menschen vor dem Tausch sein, dennoch verfügt er über ihn und vollständig im zu tauschenden Gegenstand. Der Tauschwert liegt ebenfalls in nichts anderem als im Warenkörper selbst vor. Der Verkäufer verfügt also im Gegenstand über die gesellschaftlichen Momente Tauschwert und Gebrauchswert. Die nähere Art dieses Verfügens ist mit der Warengegenständlichkeit nicht vorgegeben, ein Sitzen darauf mag da genügen, wie ein etwas entfernt vom Gegenstand wachendes Hüten, selbst ein sehr distanziertes wie unbedingtes reines Willensverhältnis ist da möglich, aber eben nicht notwendig. Das gilt dann auch für den abgeschlossenen Tausch: Der Käufer hat dann im Gegenstand den Gebrauchswert für sich gewonnen, wie den Tauschwert seines Zahlungsmittels sich erhalten, verfügen darüber mag er wie er will.


Der Kern der Ware, der Wert, den Marx qualitativ und vermittelt auch quantitativ in der für sie gesellschaftlich notwendigen Arbeitsleistung identifiziert, ist erst recht ohne Wirkung auf die Art des Verfügens: Als dem Wissen der menschlichen Akteure gerade entzogen, kann er gar nicht Gegenstand noch für sich Grund für ihre Willen sein10 Vielmehr besteht die Quintessenz von Marx Erkenntnis gerade darin, dass die Wert(haft)igkeit des einen Gegenstandes sich den Menschen nur im Warengegenstand der eingetauschten Sache (und letztlich auch des Geldes) darstellt11.


An der Ware selbst und ihren Bestimmungen zeigt sich also keinerlei Notwendigkeit für ein Verfügen, das einem rechtlichen, also abstrakten Eigentumsverhältnis auch nur nahe kommt. Das Verfügen, das der simplen Gegenständlichkeit der Ware voll genügt, ist noch kenntlich im Auftritt mit ihr auf dem Markt: Das so sinnfällige wie unmittelbare Haben von Tauschgegenstand oder Geld reicht für einen Eintritt in das Geschäft. Die rechtliche Verfügung mag im Hinblick auf die gesellschaftliche Totalität dabei zwar unterstellt und gefordert sein, sie ist und bleibt dem tatsächlichen Verfügen in seiner Initiation wie seiner Aufgabe aber äußerlich und ihm nur hinzugefügt.


Das Subjekt, das verfügend gegenüber der Ware, sprich dem Warenkörper auftritt, ist für sich ebenfalls unbestimmt. Es kann der Mensch da als mit seinem Hintern sitzend, mit den Augen kontrolliert hütend o.ä. vorgestellt werden. Aber auch ein ganz dürftiges Subjektsein wie beim rechtlichen Subjekt ist dafür denkbar. Dass die fertige gesellschaftliche Warenwelt da eine Rechtspersönlichkeit als Subjekt wahrnehmen lässt, bedeutet dennoch nicht, dass die Warenwelt für sich logisch verantwortlich für dieses besondere Subjektsein zu sein hat.



2.3. Eigentum durch den Tauschakt?


All diese logischen Dürftigkeiten werden von den Protagonisten dieser Vorstellungen nicht ausdrücklich vorgebracht. Implizit werden sie allerdings eingestanden, indem jenseits der Warenbestimmungen der Tauschakt selbst als Ursprung der Rechtlichkeit zur Darstellung kommt. Damit ist aber für den beanspruchten Inhalt eines logischen Zusammenschlusses von Ware und Recht keineswegs etwas gewonnen.


Marx´ berühmte Einlassungen dazu in „Das Kapital“ lauten wie folgt:


„Um diese Dinge als Waren aufeinander zu beziehen, müssen die Warenhüter sich zueinander als Personen verhalten, deren Willen in jenen Dingen haust, so daß der eine nur mit dem Willen des andren, also jeder nur mittelst eines, beiden gemeinsamen Willensakts sich die fremde Ware aneignet, indem er die eigne veräußert. Sie müssen sich daher als Privateigentümer anerkennen.“ (MEW23,99)


Diese Passage wird auch stets angeführt, wenn es gilt, Eigentumsverhältnis wie Rechtsperson als Konsequenz der Ware zu suggerieren. Wenn die Ware selbst und der Willensbezug auf sie weder ein Eigentum noch eine Person im abstrakt-rechtlichen Sinne im Willen der Menschen notwendig erscheinen lässt, ist man als Ausflucht auf den aus der Ware immerhin sich ergebenden Tauschakt selbst verwiesen. Die willentliche Beziehung der Tauschenden soll dann das erklärende Moment sein. Marx selbst führt das „Verhalten“ der Warenhüter beim Tausch dafür an, insbesonders die gegenseitige „Anerkennung“sleistung der Warenhüter.


Dagegen kann eingewandt werden, dass die Anerkennung der vorgegebenen schlichten menschlichen Warenhüter als solche eben nur diese, und nicht zwingend oder gar nur eine abstrakte Verfügungsweise betrifft. Als tatsächliche Warenhüter einander darüber hinaus dennoch „als“ Privateigentümer anzuerkennen macht aus den für sich unbestimmt „habenden“ Bezügen auf die Gegenstände noch kein so abstraktes Verfügen und aus diesen Menschen mithin keine solchen abstrakten Figuren. Sie im Willensakt dennoch als solche anzuerkennen, ist also nicht nur eine Fehlleistung in Sachen Erkennen. Vielmehr tut ein derartiger Anerkennungsakt zum rechtlich abstrakten Eigentümer den tatsächlichen Warenhütern als solchen quasi Gewalt an, weil sie es aus sich heraus, nach ihrem eigenen Willensinhalt, (noch) gar nicht sind. Ihre Existenz als rechtliche Eigentümer und Subjekte fiele nach dieser Vorstellung voll und ganz in die anerkennende Tat des Nicht-Eigentümers.


Wie sehr man sich damit auf einen Holzweg begibt, wird auch an den Folgen eines derartig konstruierten Eigentumsverhältnisses deutlich: Da nach dieser Vorstellung der Nicht-Besitzer das Eigentumsverhältnis des tatsächlich verfügenden Menschen kreiert und bestimmt, fiele eine Auflösung des Eigentumsverhältnisses gegenüber dem Gegenstand im Tausch ganz in seinen Willen und gerade und überhaupt nicht in den des tatsächlich verfügenden Subjektes. In einem Vertrag über diese Transaktion, also dem angeblich „gemeinsamen Willensakt“ wäre dann – gegen alle Inhalte eines solchen Vertrags – nicht der verfügende Mensch Subjekt, sondern der Mensch, der qua Bestimmung der Ware von der Verfügung gerade (und noch) ausgeschlossen ist.


Das Subjektsein des im Eigentumsverhältnis verfügenden Menschen gegenüber dem zu tauschenden Gegenstand wie gegenüber den anderen Tausch-Subjekten ist mit so einer Vorstellung von Eigentum gegen alle Willenstatsächlichkeit umfassend negiert (z.B. S.Nuss). Auf der anderen Seite ist dem anderen, nichtverfügenden Tausch-Subjekt eine Ermächtigungsleistung zugesprochen, die in seiner Motivationslage weder möglich noch vorfindlich ist. Somit ist gegen eine – nun nurmehr als vermeintlich gefasste – gesellschaftliche Allmacht im privaten Eigentumsverhältnis eine anonyme wie jenseitige Gesellschaftlichkeit erfunden, die sowohl den tatsächlichen Willen der Eigentümers selbst als auch den des Nichteigentümers selbst ignoriert und davon ausgeschlossen hat12.


Auch Paschukanis hebt hervor, dass das Willensverhältnis des Menschen als Mensch gegenüber Gegenständen für sich nicht das abstrakte Verfügen zum Inhalt haben kann:


„ An und für sich entbehrt die Beziehung des Menschen zur Sache jeder juristischen Bedeutung“ (100f)


Mit der Wareneigenschaft der Dinge soll sich diese Beziehung gänzlich ändern:


„Funktioniert aber das Ding als Tauschwert, so wird es zu einem unpersönlichen Ding, zum reinen Rechtsobjekt und das darüber verfügende Subjekt zum reinen Rechtssubjekt.“(102) „Das Marktverhältnis enthüllt diese Gegensätzlichkeit zwischen Subjekt und Objekt in einem speziell rechtlichen Sinne. Das Objekt ist die Ware, das Subjekt der Warenbesitzer, der über die Ware im Aneignungs- und Veräußerungsakt verfügt. Gerade im Tauschgeschäft offenbart sich das Subjekt zum erstenmal in der ganzen Fülle seiner Bestimmungen.“(95)


Dass der Warenhüter auch als Mensch schon über den Gegenstand verfügen und als solcher auf dem Markt auftreten kann, übergeht Paschukanis. allerdings nicht vollständig. Gerade deshalb meint er erst im Vollzug des Tauschvorgangs die Abstraktion zum rechtlichen Eigentum identifizieren zu können:

„...Privateigentum: erst das Moment der freien Veräußerung deckt in vollem Maße das prinzipielle Wesen dieser Institution auf...“(17)

"Im Akt der Veräußerung wird die Verwirklichung des Eigentumsrechts als Abstraktion zur Realität."(102)

Paschukanis´ Absage an die Vorstellung von einem Eigentum, das dem Tausch vorausgesetzt ist und sein muss, resultiert konsequent in einem Konstrukt des rechtlichen Eigentumsverhältnisses, das seine Wirklichkeit gar nicht mehr in sich selbst und im positiven Bezug auf den Gegenstand hat, sondern erst und nurmehr in seiner Aufgabe, also ausgerechnet in seiner Negation vorzufinden ist.



2.4. Rechtsperson qua gesellschaftlicher Anerkennung13?


Auch die Schaffung eines Person-Seins im anderen Menschen durch Anerkennung als solche ist nicht nur logisch irreal, sondern darüber hinaus selbst für warentauschende Subjekte nie und nimmer ein Anliegen. Ein im eigenen materiellen Interesse (an GW) verfolgter Warentausch geht über die bestimmte Verfügung über einen bestimmten Gegenstand nicht hinaus, ein Subjektsein jenseits der Verfügung, nur als Selbstbezug ist nicht im Horizont eines solchen Subjekts. Eine Anerkennung wiederum kann damit höchstens den anderen Warenhüter als unmittelbar habenden betreffen, und ist mit Vollzug des Tauschs auch wieder obsolet, schon weil der Warencharakter nicht mehr vorliegt. Ein „Verhalten“ zueinander als Rechtspersonen im Tauschakt mag im wirklichen Leben zwar vorliegen, aber von einer Initiation und Grundlegung desselben durch den Tauschakt kann keine Rede sein.


Paschukanis hält die Warenverfügung und Warenzirkulation gar nicht für den hinreichenden Grund für das Recht und seine Rechtssubjektivität. Vielmehr gelten sie ihm nur als eine der Bedingungen, die selbst höchstens eine Potentialität für die Rechtsperson in sich birgt. Eine weitergehende Bedingung hat er dann an anderer Stelle verortet. Erst im Rahmen der Entwicklung von Staatlichkeit sieht er darüber das Rechtssubjekt endgültig verwirklicht:

„Diese realen Bedingungen bestehen ... in der wachsenden Macht der sozialen Organisation,..., die ihr Maximum in dem `wohlgeordneten´ bürgerlichen Staat erreicht. Hier löst sich die Fähigkeit, Rechtssubjekt zu sein, endgültig von der lebendigen konkreten Persönlichkeit los, hört auf, eine Funktion ihres wirksamen bewußten Willens zu sein und wird zur rein gesellschaftlichen Eigenschaft. Die Handlungsfähigkeit abstrahiert sich von der Rechtsfähigkeit, das juristische Subjekt bekommt einen Doppelgänger in Gestalt des Stellvertreters und gewinnt selbst die Bedeutung eines mathematischen Punktes, eines Zentrums, in dem eine gewisse Summe von Rechten konzentriert ist.“ ( 93).


Dass die Rechtsperson als reine Willensposition eine punkthafte Qualität gewinnt, und der Würdigung durch die rechtlichen Instanzen bedarf, und auch erst der von den Rechtspersonen getrennte materielle Staat diesen für sich flüchtigen Subjekten reale Wucht verleiht, ist sicher nicht von der Hand zu weisen. Das dem vorgegebene Subjekt aber, das angeblich erst durch diese Akte „endgültig“ wird, ist und bleibt für sich nach Paschukanis ein nur mögliches Subjekt. Damit ist zu bedenken, ob Paschukanis die abstrakte Person tatsächlich als Subjekt für sich – mit aller Freiheit eines solchen im Willensakt – überhaupt qualitativ vollständig und mit aller Notwendigkeit gefolgert haben will14.



3.   Rechtssubjektivität als logische Folge der Revenuequellen 15!


Das theoretische Anliegen (von Paschukanis und seinen Nachfolgern), einen logisch stringenten und gar folgernden Zusammenschluss von kapitalistischer Produktion und Recht zu erweisen, muss also zumindest an den Kategorien der Ware wie der Warenzirkulation verworfen werden.


3.1. Die Einkommensquelle und die Verfügungsweise über sie


Diesem Anspruch kann jedoch in anderen Momenten der Marxschen ökonomischen Kategorienkonstellation voll und ganz genügt werden.

Es gibt nämlich in der Systematik von "Das Kapital" jenseits der sachlichen, also nichtgewollten Kategorien nicht nur den Übergang in die menschliche Welt des Willens in der Warenverfügung, deren Bezug zur Mehrwertproduktion zudem äußerlich bleibt („Warenzirkulation“ versus kapitalistischer Produktion). Im 3.Band von "Das Kapital" resultieren, letztlich aus der Mehrwertproduktion selbst, in den sogenannten Revenuequellenbesitzern ebenfalls menschliche Subjekte, die sich in ihrem Bezug auf die ökonomischen Gegenstände aber völlig anders verhalten als die schlichten Warenbesitzer. Sie mögen sich dafür ebenfalls verfügend gegenüber Gegenständen geben und sich mit den anderen Gesellschaftsmitgliedern darüber ins Benehmen setzen, und so den ökonomischen Verlauf mit tragen. Sie mögen sogar mit den Warensubjekten gemein haben, ihr menschliches Wohl (respektive ihren Gebrauchswert) dabei zu verfolgen, wenn sie die Gegenstände, über die sie verfügen, gesellschaftlich zum Einsatz bringen. Ihre Art des willentlichen Bezugs auf ihre gegenständlichen Mittel wie deren Weggabe ist aber eine völlig andere als bei der Ware:


Über alle Gegenstände, die Einkommensquelle (und damit Resultat der Verwertung von Wert) sind, kann nicht nur, sondernmuss materiell distanziert und zugleich bleibend wie umfassend, und in diesem Sinn abstrakt, verfügt werden: Das Geld wird da als solches nicht getauscht gegen Gegenstände mit Gebrauchswert, sondern als Geld weggegeben gegen Geld als Zins, mit Anspruch auf vollständige Rückerstattung. Land und Natur wird überlassen gegen Pacht, mit Anspruch auf Erhaltung und Rückgabe. Der Mensch begibt sich für Geld unter das Kommando des Unternehmers und erhält sich nach Gebrauch und periodisch zurück für sein eigenes Leben. Selbst der Unternehmer legt nicht selbst Hand an seine Produktionsfaktoren, sondern ermächtigt den lebendigen Produktionsfaktor Lohnarbeiter, an ihnen praktisch tätig zu werden, damit der Produktionsprozess in Gewinn resultiert.


Die materielle Verfügung muss bei diesen Einkommensquellen von der reinen Willensverfügung scheiden und gerade anderen überlassen sein, und nur darin und damit sind sie Revenuequellen und können es nur so sein. Soweit über dieselben Gegenstände (Geld, Natur, Mensch ...) konkret verfügt wird (was ja auch möglich ist, da sie Gegenstände sind), sind sie als dieselben Gegenstände gerade keine Revenuequellen. Die abstrakte Verfügung ist hier bei den Revenuequellen getrennt von materieller Verfügung und (im Gegensatz zu den Warengegenständen nicht nur möglich, sondern) notwendig eine für sich besondere Verfügungsweise. Diese Art von Verfügung wird initiiert und erhält sich mit der materiellen Transaktion des Gegenstandes als reines Willensverhältnis zum Gegenstand als seinem: Verleih. In diesem Willensakt der Leihe wächst das Verhältnis auch über die Robinsonade von isolierter Verfügung hinaus, und gewinnt im Vertrag darüber den Status eines gemeinsamen, also gesellschaftlichen Willensverhältnisses.



3.2. Das Subjekt der Einkommensquelle Mensch.


Allerdings macht ein Verleihakt - mit diesem im Ergebnis vom materiellen Verfügen getrennten distanzierten Willensbezug auf den Gegenstand als dennoch eigenen - keineswegs generell und per se ein abstraktes Subjekt erforderlich. Es kann immer noch der Mensch als Mensch sein, der über Gegenstände wie etwa Arbeitsprodukte, aaber auch Geld und Natur zunächst materiell verfügt und sie dann verleihend aus der Hand gibt. Diese noch mögliche menschliche Subjektivität gilt aber nicht für einen solchen Bezug auf den Menschen selbst, eben für die Einommensquelle Mensch.


Das Subjekt der Arbeit ist der ganzheitliche Mensch in Auseinandersetzung mit der Natur, die ihm nicht unmittelbar angehört. Es ist also der natürliche, den Naturgesetzen unterworfene und sie anwendende Mensch, in seiner Wirkung auf Gegenstände. Als Subjekt der Lohnarbeit verrichtet der Mensch auch diese Arbeit in ihren natürlichen Prozessen, er vollzieht diese aber als Dienstbarkeit für den Unternehmer, unter seinem Kommando, als dessen Mittel. Doch auch in diesem Dienst und gegenüber dem ihn nutzenden und über ihn verfügenden Unternehmer bleibt der Lohnarbeiter Subjekt.


Wie kann das vor sich gehen?

Der von Marx in seiner Systematik favorisierte Beginn bei der Ware lässt ihn eine Wareneigenschaft auch bei der Lohnarbeit historisch vorfinden16. Verkauft wird demnach nicht die Arbeit selbst, sondern nur die Arbeitskraft, die Möglichkeit zur Arbeit, als eine ideelle Vorwegnahme der tatsächlichen Arbeit, die Arbeit prospektiv als Noch-nicht.

Diese Lösung eröffnet Marx zwar den Fortgang zur Mehrwertproduktion, und wird von seinen Nachfolgern durchgehend übernommen. Sie enthält aber in sich offensichtlich Ungereimtheiten: Die ergänzende Kennzeichnung dieser Art Verkauf als einen „auf Zeit“ lässt schon aufmerken, ist ein solcher doch nur eine andere Bezeichnung für Verleih, ist inhaltlich als Transaktion ein Verleih. Darüber hinaus enthält ein Verkauf (von Arbeitskraft noch) kein Element der Begrenzung des verkauften Inhalts: Es kann die Arbeitskraft auf Lebenszeit, aber auch die des Tages gemeint sein; ihre zugrundeliegende Substanz, der lebendige Mensch, ist von dieser Abmachung gänzlich unberührt. Der Verleih enthielte dahingegen sowohl eine Zeitdimension, als auch die dezidierte Beschränkung auf den Ge-brauch unter (prinzipiellem) Ausschluss des Ver-brauchs des verliehenen Gegenstands.

Letztlich ist für die klärende Fassung der Transaktion als Verleih noch anzuführen, dass die Systematik von Marx selbst alle anderen Revenuequellen zu eben solchen werden lässt durch einen Verleih eines Gegenstandes und darin Verkauf ihrer Kraft: Verwertungskraft beim Geld und Naturkraft des Bodens. Nur beim Gegenstand der Transaktion des Arbeiters wird von Marx wie seinen Nachfolgern eine für sich Unverständliche Ausnahme auf den verkauf einer Kraft gemacht.

Allerdings muss bei einem Verleih der Gegenstand der Transaktion anders gefasst werden, will man den Inhalt der Lohnarbeit als doch Verkauf der Arbeitskraft mit der anderen Transaktion in Einklang bringen und so gerade erhalten. Ein Verleih der Arbeitskraft kommt wie ein Verleih der Arbeit (oder auch ein Verkauf der Arbeit) für die gefragte Transaktion nicht in Frage.

Die Lösung besteht einerseits darin, dass einerseits der ganze Mensch, der Mensch in seiner körperlichen und geistigen Gesamtheit als verliehen genommen wird. Gerade deshalb muss andererseits auch eine singuläre, vorbehaltliche wie unbedingte Ausnahme davon gelten: Der abstrakte Wille zu diesem Menschsein als Eigenem aber Weggegebenen, ein abstraktes Willenssubjekt dieses ihm zugeordneten Gegenstandes Mensch muss von dieser Transaktion ausgenommen sein.


Erst in diesem Verleih des Menschen, beim Lohnarbeiter, ergibt sich also eindeutig und unumgänglich diese substanzielle Abstraktheit eines Subjekts: Der Lohnarbeiter muss, will er sich als ganzen Menschen verleihen, neben sich als Mensch ein ideelles Subjekt ausbilden, das von seiner menschlichen Natur Distanz nimmt und sich gleichgültig zu ihr stellt.

Erst so ein von seinem besonderen Menschsein (als primären Gegenstand seines Verfügens) und von dessen materiell wie zeitlich sich immer ändernder Substanz abstrahiertes Subjekt kann überhaupt ein rechtliches Subjekt darstellen, das mit sich identisch ist und bleibt, und dem dann Rechte wie Pflichten in aller Verbindlichkeit zuordenbar sind. Erst so ein nacktes Subjekt kann in gleicher Weise zugleich Subjekt jedweden Gegenstandes wie anderer Revenuequellen und auch der Waren über alle Fährnisse der Zeit sein. Diese Gleichgültigkeit gegenüber den Gegenständen, über die verfügt wird, macht diese wiederum erst zur beliebigen – und damit erst rechtlich handhabbaren – "Sache".

Und auch nur so ein qualitätsreduziertes Subjekt kann sich so umstandslos repräsentieren lassen in gesellschaftlichen Verbänden, Institutionen und politischen Parteien bis hin zum Staat. Diese Rechtssubjekte vertretenden Instanzen vermögen dann zurecht als eigene, wenn dann auch nur mehr "juristische" Personen aufzutreten17.


Und auch wenn sein so abstrakter Wille in diesen Instanzen eine Verselbständigung vollzieht, bei aller dann auch verpflichtenden Qualität des Rechts bleibt dieser Art Subjekt im Recht eine Willentlichkeit erhalten, eine Sphäre der Freiheit, eine Möglichkeit der Wahl: Das Recht, etwa zum Eigentum, kann als Angebot wahrgenommen werden oder auch nicht; selbst ein Verstoß gegen ein im Recht formuliertes Gebot wird – wenn auch moralisch geächtet – in der Rechtsdurchführung nicht verhindert, sondern geahndet.


Willensbezug besteht von Seiten solcher Subjekte dann allemal nicht mehr zwischen Menschen als ganzheitliche Individuen, schon gar nicht mit bewusst gesellschaftlichen, und darin etwa strittigen Inhalten, sondern notwendig einerseits nur von Seiten der abstrakten Person auf die Sache, dann – wenn auch hauptsächlich über die Sache – auch zwischen Personen. Damit sind diese Subjekte einander so gleich wie gleichgültig und dennoch fremd, wie wir es bei rechtlichen Subjekten und ihren Beziehungen vorfinden, und wie sie dann von Staats wegen anerkannt und materiell geltend gemacht sind und sein wollen.



4.  Fazit


Unsere Gesellschaft schätzt die Rechtssubjektivität, ureigenes Moment und kategoriale Grundlage des Rechts, gerade wegen ihrer Willentlichkeit, also der Freiheit, die die Menschen darin praktizieren. Entgegen diesem einhelligen Urteil ist die Rechtssubjektivität für sich von vornherein eben gerade als keine so absolute und frei gewählte Angelegenheit anzusehen, vielmehr als eine Folge von nicht gewussten Verhältnissen, die den da so bejubelten Willensinhalt vorherbestimmen! Dieser Rechtswille ist keineswegs nur in dem limitiert, was und wie wenig er im Einzelnen gegenüber Gegenständen der Welt (Eigentum) sowie gegenüber anderen Menschen vermag. Entscheidend beschränkt ist er vielmehr schon in sich, zum einen wegen seiner abstrakten Eindimensionalität; dann auch unabhängig davon und generell in der besonderen Festgelegtheit dieser Art von Willen durch einen menschenfeindlichen Zweck, der sich im Recht(sbewusstsein) selbst gar nicht darstellt.


Diese in ihrer nüchternen Relativierung des Rechtswillens dennoch vernichtende Beurteilung seiner Willentlichkeit stellt aber kein nur meinendes Vorurteil dar, es kann dafür eine sachliche Begründung in der bürgerlichen Ökonomie angeführt werden.


Entgegen der sonst geäußerten Vorstellung dazu, lässt sich als Grundlage für diese Rechtssubjektivität weder die Warenwelt als Erscheinungsform des kapitalistischen Reichtums noch ihre Zirkulation heranziehen. Die Eigenschaften der Ware und der Akt ihrer Zirkulation nötigt in keiner Weise zur Ausbildung von Willensinhalten, die den Grundelementen der Rechtssubjektivität wie Eigentum und Person auch nur annähernd entspricht. Der Willensakt der Anerkennung, der im rechtlichen Alltag stattfindet, kann eine Rechtssubjektivität beim darin anerkannten Menschen ebenfalls nicht erst erstehen lassen.


Dennoch sind es allein die kapitalistischen Verhältnisse, welche als Erklärung dieser Art von Willen in Frage kommen. Hinter diesen Willensverhältnissen verbirgt sich keineswegs eine vernünftige Gesellschaftlichkeit, sondern ein menschenfeindliches Telos. Die Verwertung von Wert mit ihren aus ihr resultierenden Einkommensbeziehern sind als notwendiger Grund für die abstrakte Verfügungsweise Eigentum wie für das selbstbezogene Subjekt zu sehen, das als Rechtsperson in seiner dann ganz eigenen gesellschaftlichen Sphäre agiert.


Wenn also die Menschen diese Art abstraktes Subjektsein in aller Freiheit als Mittel nehmen und gestalten, und es in der Verfolgung ihres Wohls an sich ausbilden, wie auch beide Seiten dieses ihres Subjektseins aneinander relativieren; auch wenn sie also für sich diese rechtspersönlichen Bezüge durchaus nur neben nichtrechtlichen Beziehungen untereinander pflegen, und sich nur im Zweifelsfall und in der aus ihren materiellen Taten gegeneinander sich ergebenden Not auf diese Position ihrer Rechtssubjektivität besinnen, und selbst wenn diese ihnen nur von den anderen Menschen und von Staats wegen abgefordert wird; in all ihnen dabei erhalten bleibender Willentlichkeit besteht dennoch eine Notwendigkeit für diese besondere, dieRechts-Subjektivität. Diese Notwendigkeit ist keine von menschlichem Umgang miteinander oder gar eine nur durch staatliches Gebot, sondern eine aus der bürgerlichen Gesellschaft und ihrem Heißhunger nach Mehrarbeit.




1 Nur mit Wissen und der positivenAnnahme ihrer Gründe als solche wäre diese Freiheit noch zu erhalten oder wieder hergestellt.

2 Heute wird diese Naturgegebenheit des Willens ganz generell reanimiert in der Neurophysiologie des Willens, und reklamiert damit konsequent die Abkehr von der Freiheit des Willens überhaupt.

3 Womit etwa auch Ingo Elbe meint, sich bescheiden zu können, vgl. Ingo Elbe: „Privateigentum –´tief im Wesen des Menschen´ begründet? John Lockes Formulierung des bürgerlichen Eigentumsbegriffs“, In:Ingo Elbe/Sven Ellmers(Hrsg.): Eigentum, Gesellschaftsvertrag, Staat, Münster 2009

4 Letztlich mit der Blickrichtung, die realen Menschen mit dieser ihrer ihnen äußerlichen Gesellschaftlichkeit zu versöhnen; was von den meisten Hegeldeutern nachvollzogen werden kann, vgl. etwa Frederick Neuhouser: „Die Idee einer ´hegelianischen Wissenschaft der Gesellschaft´“; was aber auch hie und da als schon vom Ausgangspunkt her widersprüchlich bis in der Durchführung misslungen wahrgenommen wird, vgl. Andreas Dorschel: „Die idealistische Kritik des Willens. Versuch über die Theorie der praktischen Subjektivität bei Kant und Hegel“, Hamburg 1992, bzw. Georg Karl Eichenseer: „Staatsidee und Subjektivität. Das Scheitern des Subjektgedankens in Hegels Staatsphilosophie und seine Konsequenzen“, Regensburg 1997.

5Eine solche Prüfung der Gedankenschritte Hegels ist auch bei ausgewiesenen Kennern seines Systems nicht die Regel.

6 So will der Anarchismus das Recht allein als Gewalt des Staates gegen die Menschen kennen. Auch für Stefan Krauth („Kritik des Rechts“, Stuttgart 2013) zeigt sich erst "Im Ausnahmezustand, im rechtlichen Exzess und damit im Auseinanderfallen von Begriff und Wirklichkeit des Rechts ... die verdrängte Ausbeutung, … , als eigentlicher Rechtsgrund." (121). Daniel Loick hebt in „Abhängigkeitserklärung – Recht und Subjektivität“ (in: „Nach Marx“ , Hg. R.Jaeggi/D.Loick, Berlin 2013) zwar zurecht das „Trennende des Rechts“ hervor, ohne sich jedoch über seine positive Notwendigkeit auszulassen.

7Eine ausführliche Würdigung von Paschukanis´ Rechtstheorie vgl. H.Haslbauer: „Zur Begründung der Kategorien des Rechts bei Paschukanis“ 2013; http://www.eigentum-und-person.de/8.html

8 Untertitel „Versuch einer Kritik der juristischen Grundbegriffe“, 1924, dt 1929, Reprint 1969, 2003

9Vgl. schon Karl Korsch in „Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung“ 15.Jg, 1930, wo er bei Paschukanis eine „durchgehende Gleichstellung...der Rechtsform mit der Warenform“ moniert (abgedruckt im Reprint der deutschen Ausgabe von Paschukanis´ „Rechtslehre“1969).

10 Das gilt noch jenseits des Arguments, dass das Quantum an gesellschaftlich notwendiger Arbeit für die Herstellung einer Ware auch nach Marx gar nicht ihr quantitatives Tauschverhältnis bestimmt, sondern bei kapitalistischer Produktion der Produktionspreis gilt.

11 das bedeutet gerade nicht, dass der Wert für sich keine Substanz haben kann!

12 Diese – wesentliche – Gesellschaftlichkeit gegen die – nur scheinhafte – Privatheit der Eigentümer zu stellen, lässt manchen dem Recht einen positiven Glanz abgewinnen, vgl. Kilian Stein: Die juristische Weltanschauung, Hamburg 2010.

13 „Anerkennung“, die gesellschaftliche Achtung anderer Menschen in ihrem Willen und als Subjekt hat mit Bezug auf Hegel und die genannten Auslassungen von Marx eine vielbeachtete Bedeutung als Kategorie der Emanzipation gewonnen. Es ist zwar allgemein bekannt, dass im tatsächlichen gesellschaftlichen Umgang eine Anerkennung als Mensch zunächst mitnichten gilt, sondern nur eine als Rechtsperson; und nur daneben, in ethischen Diskursen, auch eine Anerkennung als Mensch erwogen ist. Das nötigt aber keinen dazu, einen Begriff davon zu fassen zu kriegen. Vielmehr befeuert das geradezu das angeblich transzendentale Wunschdenken eines Ideals sowohl von Anerkennung als auch von Recht: Honneth, Forst...

14 Diese seine ambivalente Sichtweise der Notwendigkeit des Rechts mag vielleicht dazu beitragen, seine tragende wie auch tragische Rolle bei der Gestaltung des sowjetischen Rechtssystems zu erklären.

15Vgl. ausführlich Harald Haslbauer: Eigentum und Person. Begriff, Notwendigkeit und Folgen bürgerlicher Subjektivierung, Münster 2010

16 „Und der Geldbesitzer findet auf dem Markt eine solche spezifische Ware vor – das Arbeitsvermögen oder die Arbeitskraft.“, MEW 23, 181; ohne diese Ware in ihrer Besonderheit logisch gefolgert zu haben! Das stellt ein Argument gegen die Marxsche Systematik jenseits des allbekannten Transformationsproblems dar.

17 Hier bietet sich wohl der von Kritikern wie Poulantzas so vermisste Übergang zum öffentlichen Recht.