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Besprechung von "Harald Haslbauer: Eigentum und Person. Begriff, Notwendigkeit und Folgen bürgerlicher Subjektivierung."
(durch Werner Imhof)
Inhaltsübersicht:
Zum Begriff des Eigentums 2
Haslbauers "quaternarische Formel" 3
Leihkapital 3
Fetisch Wert 4
Wertgröße und Produktionspreis 5
Grundeigentum 6
Der "Verleih des Menschen" 7
Wert der Arbeitskraft 8
Der "abstrakte Eigentümer" 10
Der "versachlichte Produktionsprozeß" 12
Eigenkapital und Kapitaleigentum 13
Unternehmergewinn 14
Wertbildung, -verzehr und -erhalt 14
Notwendigkeit kapitalistischer Produktion 15
Haslbauers Privatalternative 16
Die mögliche gesellschaftliche Alternative 18
Der Titel weckt Erwartungen. Gibt es doch Anlaß genug, erneut über Begriff und Formen
des bürgerlichen Eigentums nachzudenken bzw. über die getrennten und trennenden
Formen gesellschaftlicher Beziehungen, die es als Rechtsverhältnisse ausdrückt. Die
traditionelle marxistische Kritik des Privateigentums richtete sich ja vornehmlich, wenn
nicht ausschließlich, gegen die Trennung der Produzenten von den (eigenen)
Produktionsmitteln. Sofern sie die Trennungen der Produzenten voneinander und von den
Konsumenten überhaupt als solche wahrnahm, meinte sie, diese durch die staatliche
Planung der gesellschaftlichen Gesamtarbeit aufheben zu können – so das Credo der
marxistischen Linken jeder Couleur gegen alle Warnungen bürgerlicher Liberaler, wie
etwa Friedrich von Hayek. In Wirklichkeit konnten sie dadurch nur vertieft und
zementiert werden, wie die "realsozialistische" Praxis bestätigt hat. Auch die
Entwicklung der zwischen Eigennutz und Empathie schwankenden bürgerlichen
Subjektivität wäre ein durchaus spannendes Thema, nachdem das einstige Wunschsubjekt
aller Linken, der klassenbewußte Arbeiter, sich in der verallgemeinerten Lohnarbeit mehr
oder weniger individualisiert und die sozialistische Arbeiterbewegung sich (und das ist
ganz und gar nicht abfällig gemeint) zur prokapitalistischen Arbeitsbewegung gehäutet
hat. Doch Haslbauer enttäuscht solche Erwartungen. Obwohl er sich auf Marx beruft, den
er gleichzeitig zu korrigieren meint, interessieren ihn weder die Irrtümer des historischen
Parteimarxismus noch die Probleme des akademischen, d.h. unpolitischen und
weitgehend auf Philologie reduzierten, Marxismus unserer Tage. Abgesehen von einem
Exkurs zu Paschukanis geht er über einige spitze Randbemerkungen nicht hinaus. Ihn
interessieren aber auch nicht die Entwicklungen in den gesellschaftlichen Beziehungen
wirklicher Individuen. Er meint sich über sie zu erheben, indem er sie seiner
Begriffshoheit unterwirft und ihre ökonomischen Zwänge als undurchschaute Herrschaft
reiner Willenshandlungen abtut, wobei es ihm allerdings nur gelingt, die wirklichen
Verhältnisse in jeder Beziehung auf den Kopf zu stellen. Dennoch läßt sich auch
Haslbauers Buch noch als produktive Herausforderung lesen. Denn die Mühe, die es
bereitet, seiner manierierten Ausdrucksweise und seiner absonderlichen Marx-Kritik zu
folgen, zwingt zur ständigen Vergewisserung der eigenen Begrifflichkeit. Schon
erstaunlich, daß man in der Marx-Gesellschaft, in der Haslbauers Buch doch avisiert
wurde, davor zurückzuschrecken scheint.
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Haslbauer beginnt – scheinbar voraussetzungslos – mit der Kategorie des Eigentums,
einem unbestimmten Rechtsbegriff für die gesellschaftliche Form menschlicher
Herrschaft über Sachen. Dieser Begriff sagt noch nichts über das Subjekt der Herrschaft,
nichts über deren Objekt, die Art und Weise seiner Aneignung und seinen
Verwendungszweck, also nichts über die praktischen Beziehungen der Menschen, die die
Form und Funktion ihres Eigentums prägen. Ohne bestimmten Bezug auf diese Praxis ist
"Eigentum" aber nicht mehr als eine Worthülse und in dieser Vagheit unter Juristen denn
auch schon mal Gegenstand endloser Definitionsbemühungen. Doch Haslbauer meint
ernsthaft, aus der Semantik des allgemeinen, praktisch entleerten Begriffs auf die
gesellschaftlichen Verhältnisse schließen zu können, statt umgekehrt seinen Inhalt aus
der Analyse dieser Verhältnisse zu entwickeln und zu konkretisieren. Dabei kann er aus
dem Begriff nur herauslesen, was er selbst in ihn hineinlegt. Und das ist zunächst die
Auffassung des Eigentums als Verfügungsverhältnis des "einzelnen Menschen"
gegenüber einem Gegenstand, primär ein "Innenverhältnis", aus dem sich erst "in der
Folge" auch ein "Außenverhältnis" als Verfügungsausschluß aller anderen Menschen
ergebe. Doch so wenig der "einzelne Mensch" für sich allein existiert, so wenig kann der
Besitz seiner sieben Sachen für ihn allein schon Eigentum sein. Eigentum ist immer und
von vornherein ein "Außenverhältnis", ein gesellschaftliches Ein- und
Ausschließungsverhältnis. Und die ausschließliche Verfügungsmacht eines einzelnen
Menschen über einen Gegenstand ist nichts anderes als die allgemeinste und darum
nichtssagende Definition individuellen Privateigentums. Haslbauer aber wähnt sich damit
bereits auf der Spur des bürgerlichen Eigentums und gelangt durch weitere Versenkung
in die Leere des allgemeinen Begriffs zu der tiefschürfenden Erkenntnis, daß "Eigentum"
ein "abstraktes Verfügungsverhältnis" bezeichnet. Er versteht die Abstraktheit dieses
Verhältnisses jedoch nicht im Sinne seiner Unbestimmtheit und Allgemeinheit, sondern
als – reale Bestimmt- und Besonderheit. Aus der gedanklichen Abstraktion von allen
konkreten Formen des Privateigentums schließt er wahrhaftig auf ein real praktiziertes
Verhältnis, das angebliche Spezifikum der bürgerlichen Gesellschaft, das es von allen
"vorbürgerlichen Verfügungsverhältnissen" unterscheide; weshalb er den Begriff des
Eigentums auch für dieses "abstrakte Verhältnis" reserviert und den Begriff eines vor
oder gar eines kleinbürgerlichen (Privat-)Eigentums nicht gelten läßt.
Haslbauers Logik ähnelt der des ontologischen Gottesbeweises, wonach aus der Existenz
des Gottesbegriffs das reale Dasein Gottes folgen soll. Haslbauer entwickelt sie weiter:
Als bloß "abstrakte", "immaterielle" und "statische" Verfügung über Dinge könne das
Eigentum nicht gleichzeitig irgendeinen "praktisch-konkreten Umgang mit ihnen"
beinhalten, ihren Ge- oder Verbrauch ebensowenig wie ihren Tausch oder Verkauf, da es
damit gerade aufgegeben werde. Haslbauers Abstraktion des Eigentums von allen
praktischen Bezügen entpuppt sich somit als Ausschluß ausgerechnet der Bestimmungen,
die das kleinbürgerliche Eigentum mit dem großbürgerlichen, dem kapitalistischen
Eigentum gemein hat: Privatproduktion, Austausch und die Darstellung verbrauchter
Arbeitszeit als Wert. Schon hier zeichnet sich ab, daß die Exegese des abstrakten
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Eigentumsbegriffs nichts anderes ans Licht bringen wird als eine Kapitalismuskritik, die
die Elementar-formen der bürgerlichen Verhältnisse verschont, seit Proudhon ein bis
heute (z.B. von Holloway) oft variiertes Motiv des "kleinbürgerlichen Sozialismus"
(Marx).
Dann bringt Haslbauer seinen vermeintlichen Trumpf ins Spiel. Er meint, das "abstrakte
Verfügungsverhältnis" tatsächlich auch in der gesellschaftlichen Praxis verorten zu
können, nämlich im Verleih von "Dingen" gegen Geld. Genauer: im Verleih von
"Gegenständen", die ihren Besitzern als regelmäßige "Einkommensquellen" dienen
(können), weil sie in fremder Hand als "Elemente des kapitalistischen
Verwertungsprozesses" fungieren und diesen durch ihren Verleih überhaupt erst
ermöglichen wie zugleich erfordern. Diese "Gegenstände" sind "Geld, Natur, Mensch
und organisierter Produktionsprozeß", die durch ihre "bedingte Weggabe" zur "Quelle
von Zins, Rente, Lohn und Unternehmergewinn" werden. In der Haslbauerschen
Begriffswelt wird die kapitalistische Produktion also von quasi mittellosen Unternehmern
organisiert, die als dreifache Leihnehmer auftreten, mit geborgtem Geld Boden pachten,
Maschinen und Material kaufen (ohne deren "Eigentümer" zu werden!) und Arbeiter
anheuern, um mit dem organisierten Produktionsprozeß endlich über eine eigene
"Einkommensquelle" zu verfügen, die sie durch Überlassung an die Arbeiter aktivieren.
Mit dieser Weiterentwicklung der (von Marx so verspotteten) "trinitarischen Formel" der
"Vulgärökonomie" zu seiner eigenen quaternarischen Formel meint Haslbauer, "die
notwendige Form der menschlichen Durchführung kapitalistischen Wirtschaftens" zu
erfassen, in der die "Mitmacher des bürgerlichen Wirtschaftszirkus" durch ihre
"abstrakten Willensverhältnisse" seinen "nicht gewußten Gehalt" exekutieren, den
"Heißhunger nach immer mehr lebendiger Arbeit". Doch was Haslbauer als die
"erscheinende Form" ausgibt, in der sich der "bürgerliche Wirtschaftszirkus" im
Bewußtsein der Menschen darstellt und durchsetzt, ist nur die Erscheinungsform seines
eigenen Unverständnisses für die wirkliche Form der kapitalistischen Produktion. Im
Ergebnis verfehlt er mit dieser zwangsläufig auch die gar nicht so freien
Willensverhältnisse, in denen sie sich ausdrückt.
Für Haslbauer ist es ein Rätsel geblieben, daß und wie sich auf der Basis des
Warenaustauschs Mehrarbeit und Mehrwert erklären lassen. "Verleih – nicht Tausch" gilt
ihm als wahrer Beweg- und Erklärungsgrund des Verwertungsprozesses, die "Sphäre des
Tauschs" dagegen nur als "realer Schein der bürgerlichen Welt". Ihm entgeht dabei, daß
die vermeintlich "abstrakten Verfügungsverhältnisse", die er gegen den Austausch ins
Feld führt, entweder den Austausch voraussetzen, und zwar den Austausch kapitalistisch
produzierter Waren, oder selbst nur eine besondere Form des Austauschs darstellen,
wenn sie nicht gar eine Fessel des Austauschs sind oder auf eine bloße Fiktion
hinauslaufen.
Zunächst zum Verleih von Geld. Nach Haslbauer müßte die kapitalistische Produktion
ohne geborgtes Geld zusammenbrechen. Doch das Leihkapital ist keine Voraussetzung
kapitalistischer Produktion, sondern im Gegenteil eines ihrer ständigen Resultate, sobald
sie einmal etabliert ist. Die "abstrakte Verfügung" über verliehenes Geld existiert nur
dank der "praktisch-konkreten" Umsetzung von Geld in Produktionsmittel und
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Arbeitskraft, nicht umgekehrt. Haslbauer hätte sich die simple Frage stellen können,
woher denn das als Kapital zu verleihende Geld kommen mag. Aus den verbliebenen
Bereichen nichtkapitalistischer Warenproduktion wohl kaum. Die kapitalistische
Produktion selbst ist es, die durch den sukzessiven Rückfluß fixen Kapitals und nicht
unmittelbar genutzte Teile des Mehrwerts wie auch der Löhne ständig größere
Geldmengen freisetzt, die in fremder Hand als Kapital fungieren können. Voraussetzung
ist das Leihkapital insofern für die beschleunigte Neuanlage und Akkumulation des
Kapitals. Haslbauer orientiert sich vermutlich allein am bilanzierten Eigenkapital. Die
Bilanz aber ist nur eine Momentaufnahme des Kapitalkreislaufs an einem bestimmten
Stichtag. Sie verzerrt das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital, weil sie nichts aussagt
über die Häufigkeit, mit der das Kapital während der Leihdauer umschlägt, oder über die
Zahl der Umschläge, die nötig sind, das Fremdkapital samt Zins aus dem Profit zu
reproduzieren. Im übrigen ist die im internationalen Vergleich relativ niedrige
Eigenkapitalquote in den Bilanzen "mittel-ständischer" Unternehmen ein spezifisch
deutsches Problem, das sich ihre Eigentümer selbst eingebrockt haben, weil sie Gewinne
großenteils lieber "entnahmen" als sie zu thesaurieren und es vorzogen, neue
Investitionen mit steuerlich begünstigten und lange Zeit billigen Krediten zu finanzieren.
Außerdem ist das als Kapital verliehene Geld kein "Ding", auch wenn es als solches
erscheint, sondern dinglicher Ausdruck gesellschaftlicher Produktionsverhältnisse, die
besondere Form, in der sich den getrennten Privatproduzenten im Austausch ihre
gemeinsame Gesamtarbeit darstellt. Haslbauer, der sich über die Erscheinungswelt so
erhaben fühlt, bleibt hier selber in ihr befangen. Er weiß zwar, daß Geld nicht seiner
dinglichen Eigenschaft wegen verliehen wird, um als identisches "Ding" zum Verleiher
zurückzukehren, etwa als Bündel numerierter Scheine, sondern als bestimmte
Wertsumme. Doch vom Wert selbst hat er nur einen sehr unbedarften Begriff; dem
entspricht auch seine Auffassung des Geldes. Geld ist ein "ökonomisches Ding", ein
"kategorialer Gegenstand", "Kristall des (allgemeingesellschaftlichen) Werts", variiert
Haslbauer, ohne etwas damit zu erhellen. Denn was ist Wert? "Geronnene Arbeit",
"vergegenständlichte Form der Arbeit", "gesellschaftlich notwendige Arbeit", antwortet
Haslbauer und verrät doch nur, daß er erstens die Marxschen Metaphern für vergangene
Arbeit wörtlich nimmt und zweitens Wertsubstanz und Wertgröße in eins setzt. "Des
Werts in seiner Substanz wegen bedürfte es keines Tauschakts", fügt er hinzu und
bekräftigt: "Als solches (?) betrachtet, bietet der Wert an sich keinen Grund, Tausch
vorzunehmen."
Umgekehrt. Der Wert "in seiner Substanz" ist nichts anderes als die gegenständliche
Darstellung der in der Produktion für den Austausch gesellschaftlich aufgewandten
Arbeit im Medium der Geldware bzw. ihrer Stellvertreter. Alle wirkliche Arbeit existiert
nur in der Gegenwartsform, als unmittelbare Äußerung menschlicher Arbeitskraft. Sie
vergeht mit dem Moment, in dem sie geschieht. Die Zeit, die sie dauert und während der
sie sich im Produkt objektiviert oder "vergegenständlicht" (wenn es denn ein dingliches
Produkt ist und keine Dienstleistung), ist unwiderruflich verronnene Zeit. Die Produkte
haben kein Zeitgedächtnis, und die vergangene Arbeit überlebt ihr Ende nicht als in den
Produkten "steckende", "geronnene" oder "kristallisierte" Arbeit. Das sind
metaphorische, abkürzende Ausdrücke für die gesellschaftlich notwendige, "im Prinzip"
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darstellbare oder "gültige" Menge vergangener Arbeit, die aber zu Mystifikationen
werden, wenn darunter die Präsenz der vergangenen Arbeit in den Produkten verstanden
wird. So bei Haslbauer. Es ist denn auch kein Wunder, daß er das Fetischkapitel im
"Kapital" als "Hinweis auf Unklarheiten sowie eine Revisionsbedürftigkeit" der
Marxschen Theorie interpretiert. Er hat nicht annähernd verstanden, daß der Fetisch eben
– der Wert ist und mit ihm das Geld als sein Darstellungsmedium, in dem er ein
selbständiges Dasein zu führen scheint. Seine reelle Grundlage ist die begrenzte
gesellschaftliche Gesamtarbeit (begrenzt auch durch die von der kapitalistischen
Produktion selbst gesetzten Nutzungsbedingungen). Sie ist es, die der bloßen Darstellung
der auf eine Ware verwandten Arbeitszeit gesellschaftliche Geltung verleiht, weil und
insoweit auch ihre erneute Produktion, ihre Reproduktion, einen vergleichbaren Teil der
begrenzten Gesamtarbeitszeit kostet.
Die in den realisierten Warenpreisen (einer bestimmten Produktionsperiode) dargestellte
Gesamtarbeit umfaßt außer der aufgewandten lebendigen oder unmittelbaren Arbeit auch
den Verbrauch an "toter" oder "mittelbarer" Arbeit, d.h. an Produktionsmitteln, an denen
sich schon früher verbrauchte Arbeitszeit als Wert darstellt. Daß diese Gesamtarbeit
gesellschaftlich notwendig ist, notwendig, ihr eigenes Gesamtprodukt zu erzeugen, ist
eine Tautologie. Die Bestimmung der Wertgröße beinhaltet jedoch die zur Erzeugung
einzelner Warenarten und ihrer Exemplare gesellschaftlich notwendige Arbeit. Und die
ist bestimmt durch die Gesamtarbeit und durch die Form, in der sie erscheint: als
endliches Volumen gleicher menschlicher Arbeit. Was bedeutet, daß jede Warenart "im
Prinzip" oder im Durchschnitt auch nur ihren aktuell notwendigen Anteil daran
beanspruchen, darstellen und im Austausch realisieren kann. Bei einfacher
Warenproduktion wäre das der Anteil, der die zahlungsfähige Nachfrage nach einem
Produkt mit dem gesellschaftlich durchschnittlichen Wertverbrauch an
Produktionsmitteln und mit dem für seine Art durchschnittlichen Aufwand an
durchschnittlich intensiver und geschickter Arbeit befriedigt, wobei einfache Arbeit als
kleinster gemeinsamer Nenner unterschiedlich komplizierter Arbeiten gilt.
Bei (etablierter) kapitalistischer Produktion ändert sich diese Wertbestimmung, weil die
lebendige Arbeit sich teilt in notwendige zur Reproduktion der Arbeitskraft und in
Mehrarbeit, die das Kapital verwertet, und weil die Masse der angewandten
Produktionsmittel im Verhältnis zur Zahl der Arbeitskräfte aus technischen Gründen von
Produktionszweig zu Produktionszweig verschieden ist. Der notwendige Anteil an der
Gesamtarbeit, der im Preis kapitalistisch produzierter Waren "im Prinzip" dargestellt und
realisiert werden kann (oder das "Gravitationszentrum" der Marktpreise bildet, weil
"Prinzip und Praxis sich ständig in den Haaren liegen"), zerfällt daher in den
branchenüblichen Wertverbrauch an Produktionsmitteln, den branchenüblichen Anteil an
der (vom Standpunkt des Lohnarbeiters) notwendigen Arbeit und einen gewissen Anteil
an der gesamten Mehrarbeit. Dieser aber ist bestimmt nicht durch die zur Produktion der
Ware notwendige Arbeitszeit bzw. den Anteil der Mehrarbeit an ihr, sondern durch den
gesellschaftlichen Durchschnittsprofit. Denn die als Mehrwert realisierte Mehrarbeit stellt
sich dar als Profit, als Wertzuwachs des gesamten angewandten (und nicht nur des
verzehrten) Kapitalwerts, und an diesem gemessen als Profitrate, deren Unterschiede die
Konkurrenz der Kapitale (tendenziell und annähernd) zu einer allgemeinen Profitrate
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ausgleicht. Was als bloßer Aufschlag auf die branchenüblichen Produktionskosten
erscheinen kann, ist tatsächlich nur der durchschnittlich realisierbare Anteil des
Einzelkapitals am gesamten Mehrwert. Der notwendige Anteil kapitalistisch produzierter
Waren an der dargestellten Gesamtarbeit ist also nicht ihr Wert, sondern ihr
"Produktionspreis", der die zur ihrer Erzeugung notwendige Arbeit nur in modifizierter
Weise ausdrückt, weil die Einzelkapitale die darin enthaltene Mehrarbeit entsprechend
ihrem Anteil am Gesamtkapital untereinander aufteilen; in der Summe sind Werte und
Produktionspreise logischerweise identisch (weshalb das sog. Transformations- oder
Umrechnungsproblem ein Scheinproblem ist, das auf der Mißachtung der als Wert
dargestellten Gesamtarbeit beruht).
Wenn Haslbauer den "Wertcharakter der Ware" aus der "gesellschaftlich notwendigen
Arbeit" erklärt, die "nur im Austausch sich erweisen kann", dann kommt darin die ganze
Unausgegorenheit seines Wertbegriffs zum Ausdruck: das Unverständnis für die
fetischartige Formkategorie namens Wert, die naive Auffassung der Wertsubstanz, der
affirmative Begriff der Wertgröße (die eine Notwendigkeit nur in einer Gesellschaft von
Warenproduzenten beinhaltet) und obendrein die Verwechslung von Wesen und
Erscheinung. Denn was "im Austausch sich erweisen kann", ist allein, daß die
Preisbewegung der Waren von einem verborgenen Gesetz beherrscht wird. Und das ist
ihr notwendiger Anteil an der gesellschaftlichen Gesamtarbeit, der bei kapitalistisch
produzierten Waren in der Regel gerade nicht (oder nur im Durchschnitt) identisch ist mit
der zu ihrer Produktion gesellschaftlich notwendigen Arbeit. Im Austausch selbst, auf der
empirischen Ebene der Preise, ist er überhaupt nicht fixierbar. Produktionspreise sind
(auch wenn sie "Preise" heißen) nicht anders als Werte analytisch erschlossene Größen,
die als solche gar nicht rein in Erscheinung treten, sondern sich im Austausch nur mehr
oder weniger durchsetzen können.
Auch der Verleih von Natur (Boden) gegen Geld ist keine Voraussetzung der
kapitalistischen Produktion, sondern ein ihr äußerliches Tributverhältnis, das seit langem
vom Kapital selbst ausgebeutet wird. Außerdem ist die Natur, solange sie nur Natur, also
unbearbeitet ist, kein "Ding", das sich "weggeben" ließe, und sie erscheint auch nicht als
solches. Was sich gegen Geld weggeben oder verleihen läßt, ist das Nutzungsrecht an
einem Stück Erde, wenn es denn ein privates Monopol ist. Dieses aber, das private
Grundeigentum, entspringt nicht der Knappheit des Bodens oder der "beschränkten
Reproduzierbarkeit" der Natur, wie Haslbauer meint, sondern vorkapitalistischen
Produktionsformen. Eine der Besonderheiten der kapitalistischen Produktion ist es
gerade, daß sie das private Grundeigentum nicht nur nicht nötig hätte (auch wenn der
feudale Großgrundbesitz eine der Voraussetzungen der ursprünglichen Akkumulation
war), sondern sich ohne es sogar freier hätte entwickeln können, weil die ("absolute")
Grundrente die Bewegung der Kapitale und damit die Ausgleichung der Profitraten
behindert (hat). Selbstverständlich ist die Aneignung und Nutzung der Erde samt ihrer
Ressourcen Grundlage jeder Produktionsweise, also auch der kapitalistischen, doch
keineswegs notwendig in der Form des Privateigentums und schon gar nicht in der Form
fremden Privateigentums. In der Frühzeit des Kapitalismus war die "Nationalisierung des
Bodens" denn auch eine Losung von Teilen des radikalen Bürgertums. Inzwischen hat
das Kapital das Grundeigentum, wo nötig, weitgehend der eigenen Herrschaft
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unterworfen. Die meisten Unternehmen produzieren längst auf eigenem Grund und
Boden; sie müssen und können keine absolute Rente mehr realisieren, eine mögliche
Differentialrente aber als Extraprofit selbst einstreichen. Und am Immobilienmarkt
nutzen große wie kleine Kapitale verschiedene Formen der Grundrente selbst als
Verwertungshilfe und Spekulationsobjekt.
Haslbauer dagegen tut so, als sei das Kapital immer noch ein "bodenloses"
Produktionsverhältnis und jeder "Unternehmer" (ich übernehme vorläufig mal seinen
Ausdruck) notwendig ein Pächter. Und er übergeht geflissentlich, weil es nicht in sein
begriffliches Schema paßt, daß in aller Regel bearbeiteter oder bebauter Boden verpachtet
wird, der Verpächter neben seiner "abstrakten Verfügung" über ein Stück Erde also einen
durchaus "praktisch-konkreten Umgang" mit ihm betreibt und als Grundbesitzer zugleich
Warenbesitzer, wenn nicht selbst Unternehmer ist. Was er verleiht, ist nicht nur das
Nutzungsrecht an einem Grundstück, sondern auch das Nutzungsrecht am darin oder
darauf befindlichen Arbeitsprodukt, weshalb die Pacht nicht nur Grundrente enthält,
sondern auch einen Ersatz für die Wertminderung des genutzten Arbeitsprodukts bzw.
einen anteiligen Ersatz des eingesetzten Kapitals plus Profit. Daß aber der Verleih eines
Arbeitsprodukts gegen Geld nichts anderes ist als eine befristete Form des Warentauschs,
das geht über Haslbauers Begriffsvermögen, wie sich exemplarisch an seinen
Auslassungen über den "Verleih der Einkommensquelle Mensch" zeigt.
Mit dem "Verleih des Menschen" nähert sich Haslbauer endlich dem Verwertungsprozeß
selbst. Daß dieser Ergebnis eines Tauschs sein könnte, "gar eines Tauschs von
Äquivalenten", ist für ihn eine ausgemachte "Täuschung", eine "sachliche
Unmöglichkeit". Die menschliche Arbeitskraft sei nämlich nicht mehr als die "blanke
Möglichkeit ihrer Äußerung", also gar keine mögliche Ware, sondern bloße "Potenz",
"gegenstandslos und nicht für sich übertragbar und (? oder!) auch nur existent", "ein
ideelles Ding und nur vorgestelltes Konstrukt eines Noch-nicht". Wirklicher
Gebrauchswert sei sie nur in ihrem Gebrauch, und als Kraft – "wie Kraft generell" (er
vergleicht sie tatsächlich mit der "Kaufkraft" des Geldes!) – sei sie nicht zu trennen von
ihrer Äußerung, der lebendigen Arbeit. Da diese Arbeit zwar der "tatsächlich gelieferte
'Gebrauchswert'" sei, aber gerade nicht als Ware veräußert werde, könne überhaupt kein
Tausch vorliegen, sondern nur ein Verleih, und zwar des Menschen "mit Haut und
Haaren, Geist und Wille".
Daß die menschliche Arbeitskraft ihren jeweiligen Gebrauchswert nur in ihrem Gebrauch
realisiert, ist eine Tautologie, also banal. Daß sie selbst aber vorher nur in der Vorstellung
existieren, ihre Existenz also ihrer Konsumtion verdanken soll, nicht ihrer Produktion –
das ist schon ein origineller Einwand gegen ihre Warenform. Haslbauer trennt die
Begriffe Kraft und Potenz von der menschliches Physis, der sie doch nur als Attribute
zugeschrieben sind. Jeder Arbeiter könnte ihm ein Lied davon singen, wie seine
vorhandene Arbeitskraft schwindet, je länger und intensiver er sie verausgabt. Am Ende
eines Arbeitstages ist sie nicht mehr dieselbe wie zu Beginn, sie ist mehr oder weniger
verbraucht. Der Arbeiter muß sie daher in seiner arbeitsfreien Zeit regenerieren, wobei
ihm sein Lohn den Zugang zu den dazu notwendigen Lebensmitteln verschafft. Um einen
Tausch handelt es sich also allemal. Es tauscht sich Arbeitskraft, Produkt vergangener
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Arbeit, als Gebrauchswert für fremdes Bedürfnis gegen die Darstellung vergangener
Arbeit in ihrer gesellschaftlich gültigen Form, gegen Geld. Und sofern mit dem Geld die
Reproduktion der Arbeitskraft samt ihres familiären Anhangs auf dem durchschnittlichen
Lebensniveau der arbeitenden Bevölkerung gelingt, hinreichende Erholungszeit
inbegriffen, handelt es sich auch um einen Tausch von Äquivalenten, entspricht der Preis
der Arbeitskraft ihrem Wert, ihrem notwendigen Anteil an der Gesamtarbeit.
Daß die Arbeitskraft "nicht für sich übertragbar" ist und der Mensch, der sie veräußert,
sich selbst entäußern, dem Willen des Käufers ausliefern muß, tut dem Warentausch
keinen Abbruch. Er "verleiht" sich auch nicht als komplexes Individuum, sondern bloß
als Besitzer seiner Arbeitskraft, und zwar nicht einer "schlichten Arbeitskraft ohne
weitere Bestimmung", wie Haslbauer meint, sondern einer bestimmten Arbeitskraft mit
spezifischer Qualifikation, und sei sie auch nur die Eignung und Bereitschaft zu einfacher
Arbeit. Und allein in dieser Funktion gebraucht ihn der Unternehmer, der gewöhnlich
auch nicht mehr als die Reproduktionskosten eben dieser Arbeitskraft bezahlt, nicht aber
die Kosten einer allseitigen individuellen Entwicklung. Daß der Mensch neben seiner
Arbeitskraft noch andere Fähigkeiten, Talente und Bedürfnisse besitzt, die während der
Arbeit suspendiert oder unterdrückt werden, mag er als Lohnarbeiter besonders
unangenehm zu spüren bekommen. Prinzipiell ist das jedoch kein ausschließliches
Merkmal der Lohnarbeit. Jede zweckgerichtete, also bewußte Tätigkeit schließt, auch
wenn sie aus eigenem Antrieb geschieht, die gleichzeitige aktive Verfolgung anderer
Zwecke und Neigungen aus.
Entgegen dem Anschein, dem Haslbauer aufsitzt, ist bei der Transaktion zwischen
Arbeiter und Unternehmer der "tatsächlich gelieferte 'Gebrauchswert'" auch nicht die
lebendige Arbeit. Diese Arbeit ist der realisierte Gebrauchswert der gelieferten
Arbeitskraft. Haslbauer zitiert Marx, ignoriert aber dessen ironisierende
Anführungszeichen, weil er nicht unterscheiden kann zwischen dem Gebrauchswert der
Arbeitskraft und dem der Arbeit. Wo lebendige Arbeit selbst als Gebrauchswert
"geliefert" wird, kann es sich nicht um eine Transaktion zwischen Lohnarbeiter und
Unternehmer handeln. Entweder ist die Arbeit selbst Ware, dann ist ihr Verkäufer kein
Lohnarbeiter. Oder sie ist persönlicher Dienst, dann hat der Arbeiter seine Arbeitskraft
gegen Revenue getauscht, aber nicht gegen Geld als Kapital. Oder sie ist nützliche Arbeit
im unmittelbaren Produktionsprozeß; dann aber kann der Arbeiter dem Unternehmer
nichts mehr verkaufen oder verleihen, weil die fragliche Transaktion bereits hinter ihm
liegt.
Man könnte ja darüber diskutieren, ob es sinnvoll ist, den zeitlich begrenzten Tausch der
Arbeitskraft gegen Lohn noch als Kauf und Verkauf zu bezeichnen, weil im heutigen
Sprachgebrauch darunter ein dauerhafter Eigentümerwechsel verstanden wird. So wendet
denn auch Haslbauer gegen Marx ein, daß "ein Verkauf 'nur für bestimmte Zeit' … wohl
generell ein Unding" sei. Doch geht es ihm beim "Verleih des Menschen" ja gerade nicht
darum, die besondere Form des Tauschs zu betonen, sondern darum, jedweden Tausch zu
bestreiten. Folgerichtig muß er auch der "ungegenständlichen Möglichkeit Arbeitskraft"
einen Wert absprechen. "Eben weil ein Tausch nicht vorliegt", erlaube weder "der
Gegenstand des Verleihs" noch "der mit dem Verleih des Menschen erzielte Lohn" eine
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"Wertbestimmung", meint Haslbauer kurzschlüssig und demonstriert doch nur seine
Begriffsstutzigkeit.
Der Verleih (oder die Vermietung oder das Leasing) eines konsumierbaren Gegenstandes
(also Arbeitsprodukts) gegen Geld ist ein Tausch, der jeden Tag unzählige Male als
solcher praktiziert wird, zeitweise Veräußerung seines Gebrauchswerts, seiner
Nutzbarkeit, gegen Ersatz seiner Wertminderung. Zwar ist die dem Menschen eigene
Arbeitskraft kein Gegenstand, wohl aber ein Produkt menschlicher Arbeit. Und als
solches hat sie selbstverständlich auch einen bestimmbaren Wert, bestimmbar allerdings
wie bei jeder Ware nur in allgemeiner Form, als notwendiger Anteil an der Gesamtarbeit
oder, etwas konkreter, als Wert (genauer: als Summe der Produktionspreise) der zu ihrer
Reproduktion notwendigen Lebensmittel (im weitesten Sinne). Daß aber der "erzielte
Lohn", also ihr realisierter Preis, keine Wertbestimmung erlaubt, ist wieder nur eine
Tautologie. Was sollte auch der "Wert" eines Preises sein? Der realisierte Preis der
Arbeitskraft mag von ihrem Wert abweichen, aber als bestimmter Geldbetrag ist er die
Wertmenge, die er darstellt.
Haslbauer meint, seinen Kurzschluß noch untermauern zu können: Entgegen der
Marxschen Wertbestimmung der Arbeitskraft durch den Wert der zur Reproduktion des
Arbeitskraftbesitzers (und seiner Familie) notwendigen Lebensmittel müßte ein Wert der
Arbeitskraft bzw. ihres "Trägers" eigentlich durch deren "Produktionskost" bestimmt
werden, durch die "gesamte dafür verausgabte Arbeit", "einschließlich Aufzucht und
Erziehung bis zur fertigen und handelbaren Arbeitskraft". Diese Arbeit finde aber "bis
zum Verleihbeginn, aber auch in den Verleihpausen in der Privatheit, etwa der Familie"
statt, habe "alles in allem – auch wenn kapitalistisch produzierte Gegenstände in sie
eingehen – in der Regel (und bisher) nicht kapitalistische Form" und könne "von daher
auch nicht wertbildend sein". Eine Wertbestimmung durch notwendige Arbeitszeit sei
deshalb weder für die "Arbeitskraft als Fähigkeit" noch für den "Arbeiter als Träger
dieser Fähigkeit" möglich.
Haslbauer übersieht zunächst, daß die mit der Produktion, also Aufzucht, Erziehung und
Ausbildung der Arbeitskraft verbundenen Kosten gewöhnlich (von staatlichen Transfers
mal abgesehen) zu den Reproduktionskosten ihrer Eltern bzw. des "erwerbstätigen"
Elternteils gehören und in den Wert ihrer bzw. seiner Arbeitskraft eingehen, wenn sie
denn Lohnarbeiter sind. Daß die außerdem aufgewandte familiäre oder häusliche Arbeit
nicht wertbildend, also als Wert darstellbar ist, ist ja richtig, aber nicht weil sie keine
"kapitalistische Form" hat (wie immer die vorzustellen wäre), sondern weil sie keine
warenproduzierende Form hat. So notwendig sie gesellschaftlich auch heute noch ist,
schlägt sie deshalb in der Wertrechnung der Gesellschaft überhaupt nicht zu Buche, ist
sie kein Teil der als Wert dargestellten Gesamtarbeit und kann so auch nicht in den Wert
irgendeiner Arbeitskraft, weder die der Eltern noch gar die künftige ihrer Kinder,
eingehen. Marx hat sie daher nicht "tunlichst übergangen", sondern tunlichst nur am
Rande erwähnt. Der Wert der Arbeitskraft ist eben ausschließlich bestimmt durch den
Wert der zu ihrer Reproduktion nötigen Waren. Haslbauer sieht gerade darin ein
Gegenargument (übrigens ohne zu merken, daß er hier seiner früheren Auffassung der
Wertsubstanz widerspricht). "Weil" ihre Reproduktion auch häusliche Arbeit erfordert,
<10>
die gar nicht wertbildend ist, könne die wertbildende, in den notwendigen Waren
"verkörperte" Arbeit ebenfalls keinen Wert der Arbeitskraft begründen. Eine umwerfende
Logik.
Damit gelangt Haslbauer schließlich zu dem Fazit, daß die Arbeitskraft "ebenso (!) wie
die nicht-menschliche Natur nur einen Preis ohne zugrunde liegenden Wert" habe. Soll
heißen: Der Lohn ist eine "Leihgebühr" (sic!) ohne unmittelbaren Gegenwert, gezahlt für
den "spekulativen Nutzen" der Arbeitskraft, der sich im "tatsächlich gelieferten
'Gebrauchswert'", der lebendigen Arbeit, Mehrarbeit inclusive, erst noch bewähren muß.
Die Höhe der "Leihgebühr" soll zudem so bemessen sein, daß sich das Angebot an
"benötigter Menge Arbeitsleben" der Nachfrage des Kapitals anpaßt, "Dezimierung
ganzer Bevölkerungsteile eingeschlossen", während eine eventuelle "Abnutzung" des
angeliehenen Menschen als "Dekapitalisierung der Einkommensquelle entsprechend
extra zu bezahlen" sei. Man merkt, Haslbauer scheut keine "Verrenkungen" (sein
Vorwurf gegenüber Marx), um den Austausch zwischen Arbeiter und Unternehmer in
einen einseitigen Verleih umzumodeln, damit er ihn unter seinem begrifflichen Fetisch
der "abstrakten Verfügung" subsumieren kann. Den Unsinn, der dabei herauskommt,
realisiert er nicht. Wenn die Lohnhöhe das Bevölkerungswachstum an die Nachfrage des
Kapitals anpassen können sollte, dann müßte entgegen Haslbauers eigener Interpretation
abnehmende Nachfrage nach Arbeitskraft mit steigenden Löhnen einhergehen, da sich
erfahrungsgemäß nicht Armut, sondern wachsender Wohlstand in sinkender Geburtenrate
niederschlägt. Und die "Abnutzung" des Menschen, vermutlich seine Erwerbsminderung,
als "Dekapitalisierung" zu bezeichnen (die der Unternehmer durch Extrazahlung
kompensieren soll!), weil sich die "Einkommensquelle Mensch" durch "Beleihung im
Privatkredit" (sogar bis zum "hochgerechneten Lebenseinkommen"!) "kapitalisieren"
lasse – solch kategorialer (und sachlicher) Humbug würde selbst einen
Versicherungsvertreter erröten lassen...
Überzeugt, den "Verleih des Menschen" hinreichend begründet zu haben, präsentiert
Haslbauer dann sein nächstes Konstrukt als Entdeckung: den "abstrakten Eigentümer".
Hat er bisher den Tausch durch den Verleih (als Nicht-Tausch) ersetzt und die
Arbeitskraft als Gegenstand des Verleihs durch den Menschen selbst, so macht er sich
nun daran, die "Subjektform" zu bestimmen, die ihn praktizieren soll. So wie er aus der
Abstraktion von jeder konkreten Verfügung die reale Besonderheit der bürgerlichen
Eigentumsverhältnisse zu erschließen meint, so nun aus der Abstraktion vom konkreten
Menschen die mentale Besonderheit des bürgerlichen Eigentümers.
In der wirklichen Welt wäre es zwar befremdlich, wenn ein Mensch sich komplett, "mit
Haut und Haaren, Geist und Wille", verleihen würde. Immerhin wäre das aber nicht
völlig undenkbar; es gibt Dienstverhältnisse, die dem durchaus nahekommen. Doch selbst
in einem solch extremen Fall der Selbstentäußerung bliebe der Mensch immer noch ihr
Subjekt und vor- wie nachher Eigentümer seiner selbst. Anders in der Haslbauerschen
Begriffswelt. Hier kann das Subjekt des "Verleihs" "auf keinen Fall" gleichzeitig dessen
Objekt sein, der "konkrete Mensch" selbst, weil "der ja im Leihverhältnis weggegeben"
ist. Hier verlangt der Begriff des "abstrakten Verfügungsverhältnisses", das sich im
"Verleih des Menschen als Einkommensquelle" realisiert, ein von diesem getrenntes
<11>
"Subjekt", einen nur "abstrakt" über ihn verfügenden "Eigentümer". Wenn es mit rechten
Dingen zugehen soll, muß es sich wohl oder übel um ein eingebildetes "Subjekt", einen
gedachten "Eigentümer" handeln. Der Mensch in der gesellschaftlichen Funktion des
Lohnarbeiters müßte also an einer Art Schizophrenie leiden, einer Spaltung oder auch
Verdoppelung seines Selbstbewußtseins in ein dominantes "Eigentümersubjekt"
einerseits und ein willfähriges "Menschensubjekt" andererseits. Ein gedachtes
"Eigentümersubjekt" aber, das nichts gemein haben soll mit dem konkreten Menschen,
welcher es denkt, wäre eine gestaltlose Halluzination, ein gedankliches Gespenst.
Haslbauer weiß dennoch, wie es beschaffen sein müßte: "In diesem Verhältnis (dem
Leihverhältnis) muß der Eigentümer notwendig abstrakt, ideell, nur als geistige Setzung
neben und jenseits seiner sonstigen materiellen und geistigen Existenz vorliegen." "Der
Eigentümer am Menschen erweist sich somit als die Besonderung des Eigentümers vom
Menschen", als "abstrakter, von aller Materialität gereinigter Eigentümer", "nur ideelles
Konstrukt", "willentliche Abstraktion vom Menschen", "armseliger Wille zum
Eigentum", "abstrakter freier Wille", "eigenbezogene und punkthafte Subjektivität",
"abstrakter Selbstbezug des Geistes", abkürzend ausgedrückt: als "Person".
Haslbauer ist so verliebt in seine Entdeckung, daß er nicht müde wird, ihre Unfaßlichkeit
immer wieder zu variieren. Er merkt nur nicht, daß der "abstrakte Eigentümer" nichts als
eine begriffliche Fiktion ist und allein die ideelle Absonderung seines eigenen Kopfes.
Der wirkliche Mensch muß sich nicht mental verrenken und "von sich abstrahieren", um
sich als Lohnarbeiter zu verdingen. Was ihn dazu treibt, ist nicht sein verselbständigter
Wille, sondern der allgegenwärtige Zwang der getrennten Produktionsverhältnisse und
der trennenden Austauschbeziehungen, wenn er nicht gerade im Reichtum geboren ist
oder von staatlichen Almosen leben mag. Sein Wille bewegt sich im allgemeinen nur in
dem Spielraum, den ihm die Einsicht ins gesellschaftlich Notwendige beläßt. Als Herr
der ihm eigenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten weiß er außerdem sehr wohl, daß
er nicht sich als kompletten Menschen verleiht, sondern "nur" einen Teil seiner
Fähigkeiten, seine besondere Arbeitskraft. Ebenso weiß er, daß er sich gerade dadurch als
ihr Eigentümer betätigt, daß er sein Eigentum an ihr, d.h. seine Verfügungsmacht über
sie, zeitweise an einen Unternehmer abtritt, gegen die Aneignung fremden Geldes
tauscht. Und weil er physischer Besitzer seiner Arbeitskraft bleibt, kann er selbst (und
nicht ein ideelles Gespenst in seinem Kopf) auch sein Eigentum an ihr jederzeit wieder
geltend machen. Genauer: sein Privateigentum, weil der gesellschaftliche Nutzen seiner
Arbeitskraft, in Gestalt der mit ihrer Hilfe produzierten Waren nämlich, für ihn nicht
selbstgesetzter Zweck, sondern notgedrungenes und in der Regel fremdbestimmtes Mittel
zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse ist. Seine Subjektivität äußert sich daher in
unterschiedlichen, auch widerstreitenden Interessen und ihnen entsprechenden
gesellschaftlichen Beziehungen, von denen sie ihrerseits geprägt wird. Deshalb ist sie
aber im Gegensatz zu der der Haslbauerschen "Person" auch einer Entwicklung fähig.
Was diese Entwicklung bisher beschränkt, ist nicht ein als "abstrakter Eigentümer"
verselbständigtes "Verhältnis des Menschen zu sich selbst", sondern sind die scheinbar
selbstverständlichen, quasi-natürlichen Formen seiner Verhältnisse zu anderen, der
Austausch und die Produktion für den Austausch, verselbständigt in der Wertform der
Arbeitsprodukte und im Geld.
<12>
Gerade die aber mag auch Haslbauer nicht in Frage stellen. Gilt ihm das Geld doch sogar,
wie sich noch zeigen wird, als Medium, in dem sich "die natürliche Freiheit des
Individuums" verwirklicht. Seine Subjektkritik ist also nicht mehr als ein sophistischer
Überbau seiner platten Ökonomiekritik. Nur kritische Fassade ist auch ihre genüßlich
präsentierte Pointe, mit der er sich von "landläufigen, gerade linken Vorstellungen"
abzuheben glaubt: "Ausgerechnet am Lohnarbeiter", der "als Person über sich als Mensch
verfügt", "entpuppt sich der Eigentümer sans phrase, der Prototyp aller Eigentümer". In
der Tat hat ja die marxistische Linke den Lohnarbeiter gewöhnlich nur als Besitzer seiner
Arbeitskraft aufgefaßt, nicht auch als Privateigentümer, der seine Arbeitskraft nur gegen
Geld zum Nutzen anderer in Bewegung setzt. Das Privateigentum an den
Produktionsmitteln war für sie das Grundübel, das es zu beseitigen galt, um den
Kapitalismus zu überwinden und – unter Beibehaltung des Geldes als Zirkulationsmittel
und Maß der vermeintlich planbaren Werte – den "Sozialismus" zu verwirklichen. Sie
konnte nicht verstehen, daß die wirkliche, von Austausch- und Geldbeziehungen befreite
Vergesellschaftung der (d.h. aller und nicht nur der gegebenen betrieblichen)
Produktionsmittel unmöglich ist ohne die Vergesellschaftung der Arbeitskraft, beides
zusammen aber nur zu realisieren ist durch die vereinigten Arbeiter selbst. Von dieser
Einsicht ist auch Haslbauer Lichtjahre entfernt.
Bisher hat Haslbauer erst drei seiner vier "Leihverhältnisse" und ihre Subjekte
vorgestellt, wobei er den "abstrakten Eigentümer", den er als "Verleiher" des Menschen
ausgemacht hat, auch im Geldkapitalisten und im Grundeigentümer wiederzufinden
meint. Wer noch fehlt, ist der "Unternehmer". Als Organisator und Dirigent des
kapitalistischen Produktionsprozesses scheint er sich der Haslbauerschen Begrifflichkeit
zu entziehen, wonach ein Mensch dadurch zum "Eigentümer" wird, daß er einen
"Gegenstand" als "Einkommensquelle" verleiht, nur "abstrakt" über ihn verfügt. Doch
Haslbauer weiß sich zu helfen: Wenn die Wirklichkeit nicht dem Begriff entspricht, läßt
sie sich schließlich begrifflich passend machen. Also erklärt er den Produktionsprozeß
kurzerhand zur "Sache", weil er durch "Urteil, Beschluß und Willen des Unternehmers"
(dreifach genäht hält besser) "als Sache gesetzt", sein "Inhalt zur sachlichen Natur und
zur Bestimmtheit geronnen" sei. Was stört es ihn, daß der Produktionsprozeß nicht schon
durch seine Planung, sondern erst in seiner Durchführung "sachliche" Wirklichkeit wird;
daß er diese Wirklichkeit aber allein der menschlichen Arbeit verdankt; und daß im
übrigen jeder industrielle Produktionsprozeß ständiger Entwicklung unterworfen ist?
Haslbauer reicht die Hervorhebung eines substantivierenden Suffixes, um Planung in
Wirklichkeit, Bewegung in Gegenständlichkeit und menschliche Tätigkeit in eine Sache
zu verwandeln. Als "beschlossene Sache" werde dann der Produktionsprozeß dem
Arbeiter, genauer: der ihn beherrschenden "Person", zur "ausführenden Verfügung
überlassen", so die Haslbauersche Übersetzung der Tatsache, daß dem Arbeiter im
Produktionsprozeß die Ausführung der unternehmerischen Verfügungen überlassen
bleibt. Zwar sei diese "Überlassung" kein Verleih, aber doch ein "abstraktes Verhältnis",
weil "kein unmittelbares Besitzverhältnis" mehr, "sondern nur ein bestimmendes".
Man fragt sich, wo Haslbauer seine Produktionserfahrungen gesammelt haben mag. Auch
wenn der Arbeiter mit seiner Arbeitskraft zugleich den "Willen zur Arbeit" mitbringen
muß und auch wenn ihm dabei ein gewisses Maß an Selbständigkeit eingeräumt (oder
<13>
auferlegt) wird – kein Unternehmer (richtiger: keine Unternehmensleitung und kein
Management, denn den allein dirigierenden Unternehmer gibt es nur in Kleinbetrieben)
verzichtet auch nur einen Tag lang auf die unmittelbare Verfügungsgewalt über den
Produktionsprozeß, angefangen von technischen und personellen Kontroll- und
Antriebsmechanismen bis hin zu "praktisch-konkreten" Eingriffen in den
Produktionsablauf. Das "abstrakte Verhältnis" des Unternehmers zum Produktionsprozeß
ist ein Märchen. Haslbauer selbst kann nicht vermeiden, sich zu widersprechen: Da der
Unternehmer gehalten sei, das fremde Eigentum an den "angeliehenen
Produktionselementen" zu respektieren, sei ihm "Gebrauch dieser übertragenen Dinge,
nicht Verbrauch ihrer Substanz aufgegeben". Also doch kein "abstraktes Verhältnis" zum
Produktionsprozeß? Im übrigen müßte der Unternehmer das Kunststück fertigbringen,
das "Produktionselement Mensch" zu gebrauchen, ohne dessen Arbeitskraft zu
verbrauchen...
Der Unternehmer ist nun aber nicht nur der Organisator des Produktionsprozesses, als
den allein Haslbauer ihn darstellt (der Zirkulationsprozeß scheint sich von selbst zu
organisieren, und der kommerzielle Unternehmer kommt sowieso nicht vor). Er ist auch
Kapitalist, Eigentümer von Kapital in Gestalt von Produktionsmitteln und Geld und
Organisator der Produktion zum Zweck der Verwertung dieses Kapitals. Zwar erwähnt
Haslbauer einmal beiläufig "das sogenannte Eigen-Kapital, das als ebensolche Decke
gern zu dünn ausfällt". Aber er erwähnt es nur, um es nicht weiter zu beachten. Der
Grund liegt auf der Hand. Dieses Kapital paßt ganz und gar nicht in sein begriffliches
Schema. Es darf nicht als "Einkommensquelle" in Erscheinung treten, weil es nicht
verliehen wird. Und die Verfügung darüber darf nicht als Eigentum gelten, weil das
Haslbauersche "Eigentum" die nur abstrakte Verfügung über ein "Ding" beinhaltet, also
seinen Ge- oder Verbrauch ebenso ausschließt wie seinen Tausch oder Verkauf, das
Kapital jedoch durch Tausch und produktive Konsumtion fortwährend seine Form
wechselt.
Haslbauer verdrängt aber nicht nur das Unternehmereigentum am fungierenden Kapital,
er verdrängt ebenfalls, daß sich das Kapitaleigentum gegenüber dem fungierenden
Kapital verselbständigen kann und bei den meisten Großunternehmen auch seit langem
verselbständigt hat: im Kapital von Aktionären und anderen Gesellschaftern, die mit dem
operativen Geschäft der Verwertung überhaupt nichts (mehr) zu tun haben. Ähnlich wie
die Geldkapitalisten, die ihr Geld als Kapital verleihen, nehmen sie ein durchaus
"abstraktes Verhältnis" zum Produktionsprozeß ein, aber nicht, weil sie ihn als "formierte
Sache" den Arbeitern überlassen hätten, sondern weil sie seine Organisation wie auch
ihre Unternehmensanteile bezahlten Funktionären der Kapitalverwertung überlassen
haben. Obwohl sie damit doch in Haslbauers begriffliches Schema passen könnten und er
ihre Existenz immerhin registriert, spielen sie für ihn im Personal des "bürgerlichen
Wirtschaftszirkus" keine eigenständige Rolle. Möglicherweise zählt er sie sogar noch
zum Kreis der Unternehmer, denn er schreibt der Aktionärsversammlung zum Beispiel
fälschlicherweise die Kompetenz zu, per "Auftragsvergabe an den Vorstand" über die
"besondere Art und Weise des Produktionsprozesses" zu befinden. Ihr
Gesellschafterkapital aber ignoriert Haslbauer ebenso wie das persönliche Eigenkapital
des Unternehmers. Es tritt daher ebenfalls nicht als "Einkommensquelle" in Erscheinung.
<14>
Da in Haslbauers imaginärer Begriffswelt quasi alles fungierende Kapital nur die
verwandelte Form von Leihkapital ist, wundert es nicht, wenn er den Teil des Profits, der
Zins darstellt, komplett dem Geldkapitalisten zuschlägt und das dem Unternehmer
zufließende Einkommen auf den Unternehmergewinn reduziert. Der Grund dafür liegt
jedoch nicht nur in der Ausblendung des unternehmerischen Eigenkapitals, sondern
tiefer: in Haslbauers Auffassung des Zinses. Zins existiert für ihn überhaupt nur als
"Revenue für Geldverleih", gar als "reine Kost des Geldes", bloßer Abzug vom Profit,
nicht als eine Erscheinungsform des Profits selbst. Mit dem Zins als Revenueform auch
des fungierenden Kapitals muß er aber zwangsläufig zugleich die komplementäre
Kategorie des Unternehmergewinns verfehlen, zumal er keinen analytischen Begriff des
Werts hat, also auch nicht des Mehrwerts und des Durchschnittsprofits als notwendigem
Anteil daran. Er sieht nicht, daß der Profit sich in zwei verschiedenen Formen darstellt,
im Zins als scheinbarer "Frucht" des bloßen Kapitaleigentums (fremdem wie eigenem)
und im "Unternehmergewinn" (wie er im Marxschen Sprachgebrauch heißt) als "Frucht"
des fungierenden Kapitals. Sie erscheinen als Gegensätze, weil bei durchschnittlichem
Profit der Unternehmergewinn mit steigendem Zins fällt und umgekehrt. Bei gegebenem
allgemeinen Zinssatz ist die Größe des Unternehmergewinns also immer eindeutig
bestimmt durch den realisierten Profit. Haslbauer dagegen weiß offenbar selbst nicht, was
er meinen soll, wenn er jeden "erkennbaren" Zusammenhang zwischen
Unternehmergewinn und Profit bestreitet, im gleichen Atemzug aber den
Unternehmergewinn als "Gesamtprofit minus Zins und Rente" bestimmt. Tatsächlich
reduziert er ihn anschließend qualitativ auf eine Art Lohn für "unternehmerische
Tätigkeit" ("Unternehmerlohn" heißt er denn auch im heute herrschenden
Sprachgebrauch), quantitativ auf weit weniger als das, da sich seine "Größenordnung
durch die Tat der Konkurrenz durchaus auch im Vergleich mit und in Orientierung am
Lohn darstellen" soll. Womit jede Kapitalakkumulation unmöglich wäre, von der
Rückzahlung des geliehenen Geldes ganz zu schweigen...
Da Haslbauer mit den "abstrakten Verfügungsverhältnissen" seiner "abstrakten
Eigentümer" sämtliche "praktisch-konkreten" Verhältnisse der wirklichen Personen in der
kapitalistischen Produktion auf den Kopf stellt, mißdeutet er zwangsläufig auch ihren
Gesamtzusammenhang. So interpretiert er denn den "Neuwert", das gesellschaftliche
Wertprodukt einer (un)bestimmten Produktionsperiode, als "gesellschaftlichen
Überschuß", der "nach und unter der Voraussetzung der Reproduktion des bisher
geschaffenen Werts in Form des Kapitals" oder (was für ihn dasselbe ist) "nach Erhalt
des eingesetzten Werts" entstünde...
Zum "bisher geschaffenen Wert in Form des Kapitals" zählt zum einen der Wert der
angewandten Produktionsmittel, und der wird überhaupt nicht "reproduziert". Er wird mit
dem Verbrauch und Verschleiß von Produktionsmitteln teilweise verzehrt und muß in
entsprechendem Umfang ersetzt werden. Diese Ersatzbildung aber erfordert keine Arbeit,
die der "Produktion" des Neuwerts vorauszugehen hätte und sie daher einschränken
würde. Sie fällt vielmehr zeitlich damit zusammen. Der verzehrte Wert der
Produktionsmittel geht dank der nützlichen Arbeit auf das aus und mit ihnen hergestellte
Produkt über, soweit er zu dessen notwendigem Anteil an der gesellschaftlichen
<15>
Gesamtarbeit gehört. Er kehrt nach dem Verkauf des Produkts in Geldform zurück, um
sich über kurz oder lang gegen neue Produktionsmittel zu tauschen, die die verbrauchten
auch "in natura" ersetzen. Alle neuen Produktionsmittel sind selbstverständlich auch
Produkt neu aufgewandter Arbeit, doch für ihre Anwender sind sie nur neue Träger alten
Werts.
Zum "bisher geschaffenen Wert in Form des Kapitals" zählt außerdem das Geld, das als
Lohn verausgabt wird. Dieser Wert wird wohl "eingesetzt", aber keineswegs "erhalten".
Der Wert der Arbeitskraft, die an seiner Stelle tagtäglich in der Produktion konsumiert
wird, geht anders als der Wert der verbrauchten Produktionsmittel nicht in das Produkt
ein, auch wenn die Form des Produktionspreises das Gegenteil auszudrücken scheint. Die
Arbeitskraft fungiert im Verwertungsprozeß nicht als Wert, sondern als Gebrauchswert,
dessen Nutzung selbst sich als Wert darstellt. Der Lohn seinerseits ist unwiederbringlich
weggegeben und wird vom Arbeiter in der tagtäglichen Reproduktion seiner Arbeitskraft
verzehrt; er muß daher selbst reproduziert werden. Aber auch dieser Wertersatz wird
nicht vor dem Neuwert gebildet, er ist ein Teil von ihm, notwendiger Anteil des in Geld
ausgedrückten neuen Arbeitsaufwands, verkörpert in einem bestimmten Warenprodukt.
Nun ist Haslbauer nach eigener Auskunft von seiner Formulierung inzwischen etwas
abgerückt: Mit dem "bisher geschaffenen Wert in Form des Kapitals" sei nur das
konstante Kapital gemeint, und ein zeitliches Nacheinander von Wertübertragung und
Neuwertbildung habe er auch nicht konstruieren wollen. Doch diese "Nachbesserung"
belegt nur, wie unsubstantiiert und gedankenlos Haslbauer mit ökonomischen Begriffen
hantiert. Zudem meint er, an der nach seinen Worten "nicht ganz orthodoxen" Definition
des Neuwerts als "gesellschaftlichem Überschuß" festhalten zu müssen. Von einem
gesellschaftlichen Überschuß läßt sich sinnvoll aber nur reden, wenn die Gesellschaft
ihre materielle Reproduktion auch ohne ihn bewerkstelligen könnte. Wie aber sollte das
gehen? Sollten die Menschen ihren Lebensunterhalt vielleicht ohne erneute Arbeit
bestreiten können, allein mit Hilfe des "bisher geschaffenen Werts" und das auch noch,
ohne diesen zu verzehren? Wollte man Haslbauers unsinniger Definition noch einen
gewissen Sinn abgewinnen, wäre eine mögliche Erklärung, daß ihm eine
Produktionsweise vorschwebt, bei der die Arbeit sich zwar in einem gesellschaftlichen
Wertprodukt "vergegenständlicht", dieses aber nicht zur Quelle von Grundrente, Zins und
Unternehmergewinn werden kann – die Idylle einer nichtkapitalistischen
Warenproduktion also. Und tatsächlich entspräche diese Perspektive ja auch der inneren
Logik seiner quaternarischen Formel. Determinatio est negatio.
Danach müßte die kapitalistische Produktion unmöglich oder doch unnötig werden, wenn
die Arbeiter selbst Besitzer ihrer betrieblichen Produktionsmittel einschließlich des
dazugehörigen Stückchens Erde wären und ohne geborgtes Geld produzierten, die
Klassen der Unternehmer und Kapitalanleger also aufgehoben und die Arbeiter-
Unternehmer zugleich selbst Grundbesitzer wären. Dann würde – der Haslbauerschen
Logik zufolge – der Zwang zur Mehrarbeit entfallen, so daß die Produzenten nur so lange
zu arbeiten bzw. nur so viel zu produzieren bräuchten, um aus dem Verkauf ihrer
Produkte ihren eigenen Lebensunterhalt finanzieren (und nebenbei die verbrauchten
Produktionsmittel ersetzen) zu können. Damit wäre die kapitalistische Produktion in der
<16>
Tat am Ende – allerdings auch die materielle Reproduktion der Gesellschaft überhaupt.
Zunächst würde der Handelssektor brachliegen, der bisher überwiegend aus der
Mehrarbeit der Produzenten unterhalten wurde. Diese würden daher auf ihren Waren
sitzen bleiben oder deren Verkauf in unbezahlter Arbeit selbst organisieren müssen.
Selbst wenn ihnen das halbwegs gelänge, würde ihre Produktion mangels Gewinnen und
Krediten technisch und leistungsmäßig stagnieren und aus Mangel an
Produktionsmittelreserven in kurzer Zeit kollabieren. Früher oder später würde auch die
nach wie vor nötige Staatstätigkeit wegen ausbleibender Steuereinnahmen zum Erliegen
kommen. Und die beim Staat Beschäftigten wären ebenso wie die kommerziellen
Lohnarbeiter und die Produzenten selbst zu kümmerlichster Subsistenz- und
Tauschwirtschaft, wenn nicht zum Verhungern verurteilt, vom "Rest" der Gesellschaft
gar nicht zu reden. Da diese Zwangszusammenhänge heute jedem Normalsterblichen
bewußt sind (ohne daß er sie durchschauen müßte), würden die Arbeiter-Unternehmer in
unserem hypothetischen Szenario aber höchstwahrscheinlich gar nicht erst auf die
bornierte Idee kommen, nur ihren eigenen Lohn reproduzieren und ihren "unverkürzten
Arbeitsertrag" genießen zu wollen. Sie wüßten, daß vom "Ertrag" ihrer Arbeit die ganze
Gesellschaft leben muß. Auch ganz ohne Verkauf oder Verleih ihrer Arbeitskraft wären
sie gezwungen, unentgeltliche Arbeit zu leisten, die sich als Unternehmensgewinne,
kommerzielle Löhne, Steuern und Sozialabgaben darzustellen hätte. Und wenn sie es
nicht ebenfalls schon wüßten, würden sie bald feststellen, daß der Zirkulationsprozeß
ständig unbeschäftigtes Geld aussondert, dessen Verwandlung in Kredit, einmal
wahrgenommen, schnell zum allgemeinen Bedürfnis würde. Sie würden eine Art
"Arbeiterkapitalismus" praktizieren müssen, wie ihn Karl Korsch einst als
Durchgangsstufe zur "Gemeinwirtschaft" vor Augen hatte. Mit anderen Worten: Sie
würden anerkennen müssen, daß Mehrarbeit und "Plusmacherei" längst zu
gesellschaftlichen Zwangsverhältnissen geworden sind, zur unvermeidlichen Konsequenz
der verallgemeinerten Warenproduktion; zur Konsequenz, die nicht mehr notwendig an
den Klassengegensatz von Produktionsmittel- und Arbeitskraftbesitzern gebunden ist,
auch wenn sie sich in dieser Form historisch durchgesetzt hat und weiterhin durchsetzt.
Haslbauer allerdings kommt gar nicht erst auf die Idee, den gesellschaftlichen
Implikationen seines Eigentumsbegriffs nachzugehen und ihn einem praktischen
Plausibilitätstest zu unterziehen. Denn seine Perspektive ist keine gesellschaftliche, die
mögliche Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise, sondern eine rein
individuelle: der Ausstieg aus ihr, die "Nichtteilnahme am (kapitalistischen)
Wirtschaftsleben", die persönliche Negation der "Person", des "Einkommensquellen-
Verleihers". Seine Auslassungen dazu sind von so atemberaubender Plattheit, daß selbst
ein sarkastischer Kommentar noch als unangemessener Ernst erscheinen kann. Für
Haslbauer ist die Ausstiegsoption nur eine Frage des richtig gewählten Umgangs mit
"Geld, Natur und Mensch". Denn "Geld kann als Tauschmittel, aber auch als Kapital,
Natur und Mensch in ihrer jeweiligen Materialität oder auch als Einkommensquelle
benutzt werden", so die grandiose Erklärung. (Den "versachlichten Produktionsprozeß"
übergeht er wohlweislich; er kann bleiben, was er ist, also den Unternehmern und
Arbeitern vorbehalten.) In der Entscheidung zwischen diesen "Alternativen" erfüllt sich
für Haslbauer nicht weniger als die "natürliche Freiheit des Individuums", und "weil
diese Gegenstände so ganz als seine Mittel bestimmt sind, ist die Entscheidung selbst
<17>
schon frei". Die "natürliche Freiheit" des Aussteigers gründet sich also auf ein gewisses
Geldvermögen (womit die Masse der Lohnabhängigen von dieser "Freiheit" schon mal
ausgeschlossen ist) sowie das exklusive Eigentum an seiner Arbeitskraft und ggf. an
einem Stück Erde. Sie setzt allerdings auch noch voraus, daß er über Haslbauers Intellekt
verfügt. Denn es bedarf nicht allein der theoretischen Einsicht in den "Grund des
Eigentums" – "den Heißhunger nach Mehrarbeit" –, "damit ein freier, also auch
ablehnender Umgang damit erst möglich wird"; "nur der vorliegende", also
Haslbauersche, "Begriff der Person" kann überhaupt "begründete Zweifel und praktische
Distanz zu dieser eigenen Kreatur entstehen lassen".
Daß der Aussteiger, der sein Geld nicht als Kapital anlegt, sondern nur als Tauschmittel,
also zwecks individueller Konsumtion verausgabt, auch als Käufer und Konsument
immer noch aktiv am "Wirtschaftsleben" teilnimmt und dabei unvermeidlich verwertetes
Kapital in Warenform realisiert, scheint Haslbauer zu verdrängen (ganz abgesehen davon,
daß Geld auch als Kapital nur benutzt werden kann, wenn es irgendwann ebenfalls als
Tauschmittel dient, zum Zweck produktiver Konsumtion halt). Was er offenbar aber
nicht einmal ahnt, ist die Tatsache, daß er mit dem Kauf auch nur einer einzigen
kapitalistischen Ware aufgrund der gesellschaftlichen Arbeitsteilung indirekt den ganzen
Weltmarkt voraussetzt. Solange der Aussteiger auf sein Geld zurückgreifen kann, "als
freier Geldbesitzer", "etwa einer, der seine Einkommensquelle aufgegeben oder
kapitalisiert hat", solange ist die "Nichtteilnahme am Wirtschaftsleben" also weiter nichts
als die Redensart eines vermögenden Ignoranten, der sich in der Verachtung für das
Produktionssystem gefällt, aus dem er seinen Nutzen zieht. Daß aber ohne sprudelnde
Einkommensquelle ein gegebenes Geldvermögen irgendwann aufgebraucht sein muß,
weiß natürlich auch Haslbauer. Das hält ihn nicht davon ab, die "Nichtteilnahme am
Wirtschaftsleben" für notwendig zu erklären, "notwendig für den materiellen
Stoffwechsel, also das tatsächliche Leben des Menschen". Allein von der eigenen
Arbeitskraft und einem Stückchen Land (sofern denn vorhanden), ohne industriell
gefertigte Arbeitsmittel, technische Energiequellen, moderne Verkehrs- und
Kommunikationsmittel usw. kann aber niemand dauerhaft leben, es sei denn auf dem
Niveau eines asketischen Einsiedlers. Der "autarke Bauer", der Haslbauer vorschwebt, ist
eine Wunschfigur, die vielleicht ins Mittelalter paßt, aber nicht in die Gegenwart. Der
Aussteiger wäre also gezwungen, neben agrarischer und handwerklicher
Subsistenzproduktion auch noch einfache Warenproduktion zu betreiben, um sich Geld
für die notwendigen Lebens- und Produktionsmittel zu verschaffen, die er selbst nicht
herstellen kann. Das alles wäre zwar ziemlich mühselig, aber im Verein mit anderen
Aussteigern immerhin möglich. Alternativprojekte dieser Art gibt es ja, siehe das
Beispiel Kesselberg bei Berlin. So in etwa sähe dann also das "tatsächliche Leben" aus,
die Haslbauersche Privatalternative zum "bürgerlichen Wirtschaftszirkus", die immer
angewiesen bliebe auf den Austausch mit ihm, die Nutzung seiner öffentlichen
Infrastruktur, wenn nicht gar auf seine Spendenbereitschaft (vgl. Kesselberg).
Eine solche Perspektive mag ja noch in einigen linken Kreisen Anklang finden, wo
Selbstversorgung und persönlich überschaubare Produktionsverhältnisse schon als
Negation kapitalistischer Entfremdung gelten. Tatsächlich wäre sie ein Rückschritt hinter
alle Errungenschaften der kapitalistischen Produktionsweise. Für Haslbauer reduziert sich
<18>
deren Inhalt auf die "Verwertung des Werts" bzw. seinen "nicht gewußten Gehalt", den
"Heißhunger nach Mehrarbeit". Wie das eine mit dem anderen zusammenhängt, warum
und wie sich Arbeit als Wert darstellt und der Wert sich im Geld wie im Kapital
verselbständigt, das liegt außerhalb seiner Betrachtung. Die "Sphäre des Tauschs", die er
als "realen Schein der bürgerlichen Welt" abtut, ist für ihn unwesentlich. Unwesentlich
daher auch ihr Zusammenhang mit der Sphäre der Produktion, ihre Rolle als Form der
Vermittlung von Produktion und Konsumtion. Daß Kapitalismus Warenproduktion ist,
weiß Haslbauer natürlich auch. Aber es bleibt ein steriles Wissen, das ihm nur eine Folie
für seinen Begriff der "abstrakten Verfügung" liefert. Haslbauer leidet an der für Linke
typischen Blindheit für die gesellschaftsbildende "Mission" der Warenproduktion, die
sich mit dem Kapital verallgemeinert: daß sie Produktion von Gebrauchswerten für
andere ist, eine Form gesellschaftlicher Produktion, die einander wildfremde Menschen
über alle Schranken und Grenzen miteinander verbindet und damit überhaupt erst den
Boden bereitet für eine allgemein menschliche Gesellschaft, die sich vergesellschaftende
Menschheit. Allerdings handelt es sich bisher noch um eine Verbindung in der Form
getrennter Privatarbeiten und mit einer Form der Vermittlung, die gleichzeitig trennt, was
sie verbindet. Diese Trennungen sind es eben, die den Arbeitsprodukten ihre Wertform
aufzwingen, der Darstellung vergangener Arbeit als Kapital die Kommandogewalt über
die lebendige Arbeit verleihen und die Arbeit für gesellschaftlichen Bedarf zum Mittel
des Privatinteresses degradieren. Aber unter ihrer Herrschaft entwickeln sich
Bedingungen, die ihre Aufhebung möglich werden lassen.
Da Haslbauer diese Trennungen nicht einmal als solche wahrnimmt, hat er auch keinen
Blick für die Bedingungen ihrer Aufhebung. So bleibt ihm nicht nur der
Formzusammenhang der bürgerlichen Ökonomie verschlossen, ihm entgeht auch der
produktive Zusammenhang, der sich unterhalb der "Sphäre des Tauschs", aber mit ihrer
Hilfe entwickelt hat: die proportionelle Verteilung der gesellschaftlichen Gesamtarbeit
oder die gesellschaftliche Kombination ihrer Teilarbeiten, in der jeder für bestimmten
fremden Bedarf arbeitet und sich selbst als Produzent wie als Konsument ständig auf die
Arbeit und das Zusammenwirken ungezählter anderer verläßt. In diesem Zusammenhang
ist in dezentraler Form alles nötige Wissen vorhanden, das es erlauben würde, die
Produktion auch ohne Austausch und Geld mit der Konsumtion zu vermitteln. Entgangen
sein muß Haslbauer ebenfalls, daß sich mit der Verallgemeinerung der Lohnarbeit, der
Entwicklung der Arbeitsteilung und der Bedürfnisse auch das subjektive Verhältnis zu
den Inhalten und Zwecken der Arbeit entwickelt hat. Anders als Haslbauer meint, läßt
sich der Lohnarbeiter keineswegs allein und kompromißlos vom "eigenen Wohl", vom
nackten Lohninteresse leiten. Der Zwang, "in der Verfolgung des eigenes Wohls" für
fremden Bedarf zu arbeiten, wird längst nicht mehr nur noch als Fremdbestimmung und
notwendiges Übel der Lohnarbeit erlebt. Neben das Lohninteresse ist zunehmend das
Interesse an gesellschaftlich sinnvoller und anerkannter Arbeit getreten. Aus dem Zwang,
nützliche Arbeit für andere zu leisten, ist ein verbreitetes Bedürfnis geworden – das sich
nur immer wieder bricht an der Herrschaft des Tauschwerts über den Gebrauchswert.
Doch was, wenn diese Entwicklung sich fortsetzt, das Bedürfnis sich organisiert, wie in
Gestalt der Sud-Gewerkschaften in Frankreich, und verallgemeinert? Könnte es, verstärkt
auch durch bedrohliche globale Entwicklungen, nicht eines Tages so mächtig werden,
daß es die Menschen bewegt, ihre gesellschaftliche Arbeit auch gesellschaftlich zu
<19>
organisieren, sie vom trennenden Austausch- und damit auch Verwertungszwang zu
befreien und unmittelbar in den Dienst des gesellschaftlichen Bedarfs zu stellen?
Eine Wirtschaft ohne Markt und Geld ist entweder unmöglich oder eine Despotie, sagt
der bürgerliche Verstand und und ist doch selbst nicht glücklich darüber, daß "der Markt"
immer wieder dazu "verleitet", den eigenen Vorteil zum Nachteil anderer und der
Allgemeinheit zu maximieren. Er möchte den Eigennutz mit dem Nutzen des bzw. der
anderen versöhnen und sieht doch keine Möglichkeit, in der Produktion beide Zwecke so
miteinander zu verschränken, daß sie sich nicht mehr ständig in den Haaren liegen. So
muß er denn äußeren Instanzen die Aufgabe der Schadensbegrenzung und -beseitigung
zuweisen: dem Wettbewerb, dem Staat und dem – Gewissen.
Doch eine unmittelbar dem Bedarf dienende Produktion würde nicht mehr erfordern, als
daß die Produzenten aus freien Stücken und verantwortungsvoll als Zweck ihrer Arbeit
bejahen, was die Warenproduktion ihnen als mehr oder weniger lästige Bedingung des
Austauschs aufzwingt. Ihre Herrschaft über die Produktionsmittel einmal vorausgesetzt,
würden die praktischen Probleme sich darauf reduzieren, Produktionskapazität und
-umfang dem wirklich vorhandenen, global verantwortbaren und gesellschaftlich
akzeptierten Bedarf anzupassen. Jeder Hersteller aber weiß heute auch ohne monetäre
Kostenrechnungen, welcher Input an Produktionsmitteln und Arbeitskraft in welcher Zeit
für welchen quantitativ und qualitativ gewünschten Output nötig wäre. Um den zu
realisieren, wären außer engen Hersteller-Nutzer-Beziehungen und eigener Flexibilität
vor allem verläßliche Zulieferbeziehungen nötig. Sofern aber die Produzenten diese
unmittelbaren Beziehungen ihrer Teilarbeiten beherrschten, würden sie gemeinsam – in
der Art eines neuronalen Netzwerks und ganz ohne zentrale Planbehörde – auch ihre
gesellschaftliche Gesamtarbeit beherrschen. Und sie hätten das für den bürgerlichen
Verstand unlösbare Problem, das Wohl des anderen mit dem eigenen Nutzen zu
verbinden, auf sehr einfache und elegante Weise gelöst: Unmittelbar nützliche Arbeit für
andere als Zweck aller gesellschaftlichen Produktion wäre automatisch nützliche Arbeit
für einander und die beste Gewähr für die Befriedigung auch der eigenen Bedürfnisse.
"Die freie Entwicklung eines jeden" wäre endlich "die Bedingung für die freie
Entwicklung aller"...
Nun macht die theoretische Begründung für die Verzichtbarkeit von Austausch und Geld
und mit ihnen der kapitalistischen Produktion diese noch lange nicht praktisch
verzichtbar. Sie bleiben notwendig und allen Krisen zum Trotz im Hegelschen Sinne
(wenn die Wirklichkeit sich in ihrer Entfaltung als Notwendigkeit erweist) damit auch
vernünftig, solange nicht die gesellschaftliche Entwicklung selbst das praktische
Bedürfnis ihrer Aufhebung hervorbringt und als realisierbar erscheinen läßt. Vernünftig
ist deshalb auch die ablehnende Haltung der lohnabhängigen Massen gegenüber
linksradikalen Rattenfängern und Heilsbringern. Die Unvernunft dagegen findet sich auf
der Seite jener linken Intelligenz, die ihre theoretische Kritik des Kapitalismus schon für
den Beweis seiner praktischen Obsoletheit hält und sich um so mehr auf ihr überlegenes,
gar wissenschaftliches Bewußtsein einbildet, je weniger sie weiß, wie ihr Wissen
gesellschaftliche Bedeutung gewinnen könnte. Haslbauer ist ein besonders ärgerlicher
Vertreter dieser Spezies (auch wenn er sich von der traditionellen Linken abhebt), weil
<20>
die intellektuelle Arroganz gegenüber den "Mitmachern des bürgerlichen
Wirtschaftszirkus" dem theoretischen und gesellschaftlichen Gehalt seiner Kritik
umgekehrt proportional ist. Nur daraus rechtfertigt sich die ausführliche
Auseinandersetzung mit ihr.
Werner Imhof
(Antwort an Werner Imhof hier )