Kommentar zu Sonja Buckel: Subjektivierung und Kohäsion. Zur Rekonstruktion einer materialistischen Theorie des Rechts. Weilerswist 2007
(der Kommentar wurde bei amazon veröffentlicht)


Sonja Buckel konstatiert eine "gespenstische Eigenwelt des Rechts", wodurch "den Menschen ihre eigenen Verhältnisse entgleiten", was sie "aus den gesellschaftlichen Verhältnissen heraus zu erklären" sich vornimmt (9/10). In der Tat wüsste man gern, wie denn die Menschen darauf verfallen, sich als Personen zu geben, ihre Interessen ausgerechnet als Rechtsanspruch zu verfolgen, und auf den Staat als entscheidende Instanz dabei zu bauen.

Sonja Buckel hebt als zentrale Bestimmung des Rechts hervor, dass es Form sei: Recht sei neben der Waren-Form die andere soziale Gestalt, die die Menschen im Kapitalismus zwar als ihre, aber letztlich ebenfalls fremde praktizierten. Darin drückt sich schon bei Paschukanis ("Der Warenfetischismus wird durch den Rechtsfetischismus ergänzt"), und erst recht bei Sonja Buckel eher eine Verlegenheit aus: Statt eine innere inhaltliche Notwendigkeit und deren sachlichen Bestimmungen zu erweisen, wird sich analogisch auf eine andere – im übrigen ebenfalls nicht inhaltlich bestimmte - Notwendigkeit berufen.

Es ist mit der Bestimmung des Rechts als ebenfalls und vor allem "Form" von Sonja Buckel aber mehr gewonnen als eine pikante Parallele zur im linken Konsens ebenfalls nicht gerne gelittenen kapitalistischen Ökonomie aufgezeigt zu haben. Es ist ein inhaltlicher Begründungszusammenhang nicht einfach nur übergangen und für nicht wichtig erachtet, sondern kunstfertig bestritten:
Im allgemeinen unterstellt die Rede von Form nämlich einen Inhalt, der sich anders gibt, als er selbst ist. Wenn die Form, in der er sich darstellt, dann aber doch seine Form sein soll, muss sie sich auch aus seinem Inhalt selbst erklären lassen, sie wäre also die Entfaltung seiner selbst, eben nicht mehr nur Form, sondern Form dieses Inhalts. Darin enthalten wäre die Explikation, warum der Inhalt sich nicht nur als solcher darstellt, sondern eben in der besonderen Form.

Wie Sonja Buckel von Recht "als" Form ohne einen davon getrennten treibenden Inhalt zu reden, ist dagegen Ersatz einer Darlegung von Notwendigkeit: Als Form wird das Recht zum sich selbst treibenden Inhalt erklärt und die Notwendigkeit desselben so inhaltslos wie bedeutungsschwer wie unwiderlegbar behauptet. So ist sie dann nicht nur darüber hinaus, in der Tradition von Marx "das Recht in der einen oder anderen Weise als bloßen Reflex der Ökonomie" oder als Funktion für diese zu demaskieren. Vielmehr ist es ihr gelungen, der hinter vorgehaltener Hand von gebildeten Rechtsvertretern geäußerten Meinung, man könne und müsse die Winkelzüge des Rechts nicht verstehen, prinzipielle höhere Weihen zu verleihen. Durch ihre tautologische Konstruktion wird jeder Erklärung der Rechts aus etwas anderem als sich selbst widersprochen - ohne eines weiteren Arguments dafür zu bedürfen. Dadurch ist das Recht endgültig zum Geheimnis (v)erklärt.

Sonja Buckel ist dann ganz zufrieden mit der Feststellung "dass das Recht sich seine eigene "Basis" ist" (9), also nur seinen eigenen Inhalt gestaltet. Die "Gespenster" der rechtlichen Alltagspraxis spuken mit dieser Erkenntnis für Buckel nicht mehr (wie noch für Paschukanis) im Phänomen des Rechts überhaupt, und seinen von den Subjekten getragenen (Willens)Inhalten. Diesem kann als "Rechtsform I" vielmehr sogar eine günstige Wirkung als "Medium der Selbstorganisation"(310) zuerkannt werden, weil sich die Subjekte darin - abstrahiert von aller Besonderheit - "als formal Gleiche und Freie begegnen"(240) . Das Gespenstische an dieser Eigenwelt findet sich für Sonja Buckel dann nur mehr in den "individuellen Verfahren als Ensemble von Praxen und Institutionen" ("Rechtsform II") (242), dann, "wenn ... diejenigen, die als aufgeklärte BürgerInnen ihre Rechte kennen sollten, in Wirklichkeit in ihren Rechtsfragen einer Geheimwissenschaft gegenüberstehen"(9). Folgerichtig und rechtsanwaltlich brav können und müssen diese Gespenster mittels "Demokratisierung des Rechts, bzw. der Rechtsform" vertrieben werden, indem "ein umfassenderes juristisches Wissen gesellschaftlich zirkulierte und strategisch eingesetzt werden könnte"(322).